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Novak Djokovic posiert mit seiner Trophäe am Place de la Concorde in Paris.

© EPA/IAN LANGSDON

Novak Djokovic bei den French Open: In seiner eigenen Liga

Im vierten Anlauf erreichte Novak Djokovic am Sonntag den ersehnten French-Open-Sieg. Aber es ist weit mehr - Djokovic hatte mit seinem zwölften Grand-Slam-Titel Tennis-Geschichte geschrieben.

Manchmal sind es erst die Brüche im Leben, die schließlich doch ans Ziel führen. Und für Novak Djokovic kam dieser einschneidende Moment vor einem Jahr im Finale der French Open. Nie war die Fallhöhe für den Weltranglistenersten so hoch gewesen wie damals in Paris. Und dann spielte Stan Wawrinka ihn einfach knallhart aus. So zu scheitern, war für Djokovic kaum zu ertragen. Bei der Siegerehrung liefen ihm die Tränen übers Gesicht. Und in diesem vielleicht ehrlichsten Moment, den der Serbe je zuließ, applaudierte ihm das Publikum minutenlang.

Zum ersten Mal überhaupt spürte er Anerkennung. Djokovic hatte erst verlieren müssen, um zu bekommen, was er sich immer wünschte. "Dass ich verloren hatte, tat sehr weh", erinnert sich Djokovic, "aber den Respekt der Zuschauer zu spüren, hat mich sehr tief berührt. Das war mein Ansporn, diese Unterstützung unbedingt wieder zu fühlen. Und deshalb sitze ich nun mit der Trophäe hier."

Alle vier Grand-Slam-Trophäen

Mit seinem 3:6, 6:1, 6:2 und 6:4-Triumph über die Nummer zwei der Welt, Andy Murray, hatte Djokovic am Sonntag im vierten Anlauf endlich den ersehnten French-Open-Sieg erreicht. Aber es war weit mehr, denn Djokovic hatte mit seinem zwölften Grand-Slam-Titel Tennis-Geschichte geschrieben. So komplettierte er in Paris als erst achter Spieler den Karriere-Slam, indem er jeden der vier Major-Titel mindestens einmal gewonnen hatte. Von den aktiven Spieler gehören neben ihm nur noch Roger Federer und Rafael Nadal diesem elitären Club an. Doch Djokovic gelang zudem etwas, das in der Profiära nur Rod Laver 1969 zuvor geschafft hatte: Der Serbe hält aktuell alle vier Grand-Slam-Trophäen. "Das ist eine der ultimativen Herausforderungen in unserem Sport", sagte Djokovic, "ich bin so stolz, dass ich das geschafft habe."

"Novak hat ein Ausrufezeichen gesetzt"

Weder Federer noch Nadal hatten dieses Meisterstück je vollbracht. Gut möglich, dass es ihnen mit 34 bzw. 30 Jahren auch nicht mehr gelingen wird. Federer hatte dreimal jeweils drei Grand-Slam-Titel in einer Saison gewonnen (2004, 2006, 2007), Nadal brachte es einmal auf das "Triple" (2010). Aber die ersten beiden Majors der Saison, die Australian Open und die French Open, konnten sie dabei nie hintereinander gewinnen. Wie schwierig dieser Doppel-Sieg ist, belegt allein die Tatsache, dass Jim Courier im Jahr 1992 zuvor der letzte Spieler gewesen ist. "Novak hat jetzt ein Ausrufezeichen gesetzt, bei dem den Sportfans die Kinnlade runtergeklappt ist", sagte der derzeitige Kapitän des amerikanischen Davis-Cup-Teams, "und wenn man bedenkt, wo Federer in der Tennis-Ruhmeshalle rangiert, kann er jetzt sagen: Das hat Roger nicht geschafft." Die Anerkennung, Djokovic hatte sie oft vermisst. Immer stand der inzwischen 29-Jährige im Schatten von Federer und Nadal.

"Wir wissen nicht, ob er die 17 Titel schaffen kann"

"Anfangs war ich nicht so begeistert, dass ich während ihrer Ära spiele", sagte Djokovic, "aber irgendwann habe ich es akzeptiert, dass ich gegen diese unglaublichen Champions antreten muss. Und durch sie bin ich ein besserer Spieler geworden. Durch sie habe ich alle diese Erfolge erreicht." Und nach seinem Triumph in Roland Garros wird die Diskussion, wer der beste Spieler aller Zeiten ist, wohl neu aufgerollt werden müssen. Und obwohl man glaubte, als Federer 2012 in Wimbledon seinen 17. Grand-Slam-Titel gewann, dass dieser Rekord vielleicht auf Jahrzehnte hin bestehen würde, könnte Djokovic ihn theoretisch bis Ende nächsten Jahres brechen. Derzeit spielt er in einer eigenen Liga. "Wir wissen nicht, ob er die 17 Titel schaffen kann", meinte Marjan Vajda, Djokovic' zweiter Trainer neben Boris Becker, "aber Novak ist jetzt dicht daran an Federer und Nadal. Dieser Grand-Slam-Sieg war vielleicht entscheidend."

Ein eigenes Kapitel in den Geschichtsbüchern

Dass Djokovic dem enormen Druck in der geschichtsträchtigen Partie standgehalten hatte - anders als Serena Williams - könnte ein Befreiungsschlag gewesen sein, der ihn für die nächsten großen Partien noch gelöster und nervenstärker machen könnte. Gewinnt Djokovic auch noch in Wimbledon und bei den US Open, hätte er nicht nur die Bestmarke von Nadal und Pete Sampras (14) egalisiert, sondern zudem den seltenen Kalender-Slam erreicht (alle vier Major-Titel in einer Saison). Auch das war zuletzt Rod Laver 1969 gelungen. "Ich will nicht arrogant klingen, aber ich denke, dass alles im Leben erreichbar ist", sinnierte Djokovic, "und der Kalender-Slam ist immer noch möglich für mich." Und er bekäme sein eigenes Kapitel in den Geschichtsbüchern, sollte er die Saison zudem noch mit der olympischen Medaille bei den Spielen in Rio de Janeiro vergolden. Dann hätte seine Entdeckerin Jelena Gencic schließlich Recht behalten. Sie sagte Djokovic' Eltern damals, sie hätten da einen "goldenen Jungen". Und am Ende ist der vielleicht der Beste aller Zeiten.

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