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Geschafft! Becker-Schützling Novak Djokovic steht mal wieder im Wimbledon.

© dpa

Novak Djokovic steht im Finale von Wimbledon: Kein Wunder vom Wunderkind

Richard Gasquet kann Novak Djokovic kurz fordern – der Favorit siegt aber am Ende souverän.

London - Richard Gasquet hatte sich keinerlei Illusionen hingegeben. „Hier sind die echten Schwergewichte im Halbfinale: Federer, Djokovic, Murray“, und dann fügte der 29 Jahre alte Franzose süffisant hinzu: „Und dann noch ich, der Schlechteste.“ Wimbledon und die Grande Nation, das war nie eine tiefe Liebesbeziehung gewesen. Cedric Pioline hatte es 1997 als einziger Franzose wenigstens ins Endspiel geschafft, war dort aber an Pete Sampras gescheitert. Nun versuchte sich also Gasquet an diesem Herkulesstück.

Jener Spieler, der schon als Neunjähriger als neues Wunderkind die Titelseiten zierte, mit diesem enormen Erwartungsdruck aber nie zurechtkam. Vor acht Jahren schien Gasquet der Durchbruch gelungen, als er in die Top Ten und erstmals ins Halbfinale von Wimbledon stürmte. Mit der wohl besten einhändigen Rückhand und einer Ästhetik, die manche mit der eines Balletttänzers vergleichen. Doch Gasquet strauchelte, auch im Privatleben. Nun aber spielt er in dieser Saison das Tennis seines Lebens, steht wieder auf Platz 20 der Weltrangliste und ist fitter und entschlossener als je zuvor. Und Gasquet wäre in dieser Form wohl in sein erstes Grand-Slam-Finale eingezogen, hätte nicht Novak Djokovic auf der anderen Netzseite gestanden.

Gasquet bot dem Titelverteidiger und Weltranglistenersten zwar kühn die Stirn mit wunderbarem Rasentennis, unterlag jedoch mit 6:7, 4:6 und 4:6. „Das war eine sehr gute Leistung von mir“, freute sich Djokovic, „aber Richard hat es mir sehr schwer gemacht.“ Das Viertelfinale gegen den French-Open-Sieger Stan Wawrinka hatte den Franzosen viel Kraft gekostet, erst nach dreieinhalb Stunden entschied er den fünften Satz mit 11:9 noch für sich. Dennoch wirkte Gasquet zunächst erstaunlich frisch. Und auch die ernüchternde Bilanz von 1:11 Siegen gegen den 28 Jahre alten Serben hatte ihn nicht verschreckt. „Ich bin einfach stolz, dass ich so weit gekommen bin“, hatte Gasquet vorab gesagt. Dass Djokovic angreifbar ist, hatte sich spätestens in dessen Achtelfinal-Krimi gegen Kevin Anderson gezeigt, den er nach 0:2-Satzrückstand in der Verlängerung tags darauf noch drehte. „So ein Match hatte Novak gebraucht“, sagte sein Coach Boris Becker, „die erste Turnierwoche ging für meinen Geschmack viel zu schnell rum. Jetzt ist er drin.“

Völlig zufrieden wirkte Djokovic seither allerdings nicht mit seinem Spiel. Besonders in seinem Viertelfinale gegen Marin Cilic verstrickte er sich in Selbstbeschimpfungen. Einen Ausbruch leistete sich Djokovic direkt vor einem Ballmädchen, das erschrak. Teile der britischen Medien machten eine große Sache aus dem Vorfall und erneut geriet der Serbe in die Defensive. „Ich habe mich bei ihr entschuldigt“, verteidigte sich Djokovic verärgert, „es geht ihr gut. Das ist alles.“ Gegen Gasquet verlor er dann nur kurzzeitig die Contenance. Das frühe Break im ersten Satz zur 2:0-Führung glich der Franzose sofort mit einem furiosen Rückhandpassierschlag aus. Erst im Tiebreak sorgte Gasquet mit einigen leichten Fehlern dafür, dass sich Djokovic etwas mehr entspannen konnte. Jeweils ein Break reichte dem Favoriten in den nächsten beiden Sätzen, obwohl Gasquet immer dicht dran blieb.

Nach 2:20 Stunden erhob sich Becker von seinem Sitz und applaudierte zufrieden seinem Schützling zu, der nun zum vierten Mal im Wimbledonfinale steht. Mit einem dritten Triumph am Sonntag könnte Djokovic mit seinem Trainer gleichziehen. Doch die Aufgabe gegen Andy Murray oder Roger Federer (Partie bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) ist knifflig genug. „Es ist ein Traum, hier in der Wiege des Tennissports im Finale zu stehen. Ich werde alles aus mir herausholen.“

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