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Angriff ist die beste Verteidigung. Trainer Gertjan Verbeek jubelt über den ersten Saisonsieg seiner Nürnberger gegen Hoffenheim am ersten Spieltag der Rückrunde.

© dpa

Nürnberg-Trainer Gertjan Verbeek: Freude im Abstiegskampf

Trainer Gertjan Verbeek hat Herthas Gegner 1. FC Nürnberg umgekrempelt und lässt im Abstiegskampf offensiv spielen: „Ein defensiv denkender Mensch ist selten kreativ“, sagt Verbeek.

Nürnberg - Nach den kurzen Weihnachtsferien hat Gertjan Verbeek mit einer ungewöhnlichen Idee verblüfft: Der 1. FC Nürnberg müsse seinen Stil ein wenig verändern, schließlich befinde man sich im Abstiegskampf. Vorsichtiger spielen? Defensiver? Nein, sagte Verbeek, noch offensiver: „Wir müssen ja oft gewinnen“. Zu diesem Zeitpunkt hatte Nürnberg noch kein einziges Mal gewonnen; die Hinrunde ohne Sieg war ein Novum in der Geschichte der Fußball-Bundesliga.

Aber zum ersten Training nach der Winterpause kamen fast fünfhundert Zuschauer – und applaudiertem dem Team. Das über Jahrzehnte leidgeprüfte Fußball-Franken, aus Erfahrung selbst in sonnigen Zeiten eher zu Skepsis neigend, probte eine ganz unbekannte Zuversicht.

Innerhalb von gut drei Monaten scheint Gertjan Verbeek den ganzen „Club“ umgekrempelt zu haben. Eine Mannschaft, die sich seit dem Wiederaufstieg 2009 mit einem kompakten Defensivstil überwiegend im Liga-Mittelfeld einrichtet hatte, entdeckt sich gerade selbst neu – und geht diesen Abstiegskampf mit jener Spielfreude an, die das Publikum schon länger vermisst hat. Als der nüchterne Pragmatismus, den Trainer Michael Wiesinger von seinem erfolgreichen Vorgänger Dieter Hecking geerbt hatte, keinen Ertrag mehr einbrachte, riskierte Nürnberg in misslicher Lage, wovor man in besseren Zeiten noch zurückgeschreckt war – den kompletten Umschwung, Mut zur Offensive. Wiesinger musste gehen, Verbeek kam.

„Ein defensiv denkender Mensch ist selten kreativ“, sagt Verbeek, es ist einer der Kernsätze des 51 Jahre alten Niederländers. Ein zweiter lautet: „Fußball macht Freude, wenn man den Ball hat.“ Kreativ sein, Freude haben: Das ist – ganz gegen die vermeintliche Logik des Abstiegskampfs – Verbeeks Ansatz. Es verblüfft, wie schnell die Mannschaft das verinnerlicht hat. Beinahe schien es, als habe sie nur darauf gewartet, Hemmungen abzulegen. „Vielleicht merken einige Spieler, dass sie besser sind als sie dachten“, sagt Verbeek, und noch mehr verblüffte es, dass dieses neue Nürnberg sich dabei von teils bizarren Misserfolgserlebnissen nicht entmutigen ließ. Pech und eine Reihe eigentümlicher Schiedsrichter-Entscheidungen brachten die Elf am Ende der Vorrunde wiederholt um den Lohn ihres Bemühens. Es gab reihenweise Komplimente, bloß keinen Sieg. „Aber wir haben ja gesehen, dass wir Woche für Woche besser werden“, sagt Mannschaftskapitän Raphael Schäfer, „wir haben die Spielidee des Trainers immer mehr verinnerlicht“. Man dürfe dem „Club“ vertrauen.

Vertrauen – ein weiteres Schlüsselwort Verbeeks, der den Verein mit Disziplin und Strenge, aber auch mit Charisma und Empathie führt. Nur im gegenseitigen Vertrauen könne es gelingen, unter eher bescheidenen Voraussetzungen höhere Ziele zu erreichen. „Alle müssen den Club tragen“, sagt Verbeek, „die Trainer, die Spieler, aber auch die Verantwortlichen und die Fans.“ Dass die Botschaft angekommen ist, sah man am vergangenen Samstag – als gegen Hoffenheim endlich der erste Sieg gelang, ein 4:0, weshalb Nürnberg am Sonntagnachmittag als Spitzenreiter der Rückrunden-Tabelle bei Hertha BSC im Olympiastadion (15.30 Uhr, live bei Sky) antritt. Gegen Herthas Trainer Jos Luhukay hat Gertjan Verbeek als Profi einst in der niederländischen Ehrendivision gespielt. Er habe sich für den Kollegen „sehr gefreut“, dass dieser in der Bundesliga den Durchbruch geschafft habe. Das sei „doch etwas Besonderes“, sagt Verbeek, „eine Freude“. Für den 1.FC Nürnberg und Verbeek lässt sich das bislang auch behaupten. Hans Böller

Hans Böller

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