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Nürnberg und Cottbus: Liebe und Leiden

Nach der Relegation: Der 1. FC Nürnberg feiert seinen Aufstiegstrainer Michael Oenning, der FC Energie Cottbus bangt um die Zukunft.

Von Katrin Schulze

In so einem Moment verbietet sich jede Eitelkeit. Formlos hingen ihm die Haare im Gesicht. Dazu präsentierte sich der Mann mit dem schnittigen Kinnbärtchen in Klamotten, die vor Nässe nur so trieften und einen fiesen Bier-Geruch absonderten. Es war der Auftritt eines Siegers. „Michael Oenning, Michael Oenning!!“, schallte es aus allen Richtungen. Der Trainer in Diensten des 1. FC Nürnberg avancierte am Sonntagnachmittag zum meist gefeierten Mann in ganz Bayern. Gerade hatte er seine Mannschaft durch einen 2:0-Sieg im Relegations-Rückspiel gegen Energie Cottbus in die Bundesliga geführt. Bereits das Hinspiel hatte sein Team 3:0 gewonnen. Nun zeigte er sich sichtlich gerührt von den feucht-fröhlichen Huldigungen. „Spontane Freude ist immer die ehrlichste Freude“, sagte der Coach.

Selbst in der Stunde seines größten Triumphes kommt Oenning noch philosophisch daher. Der 43 Jahre alte Germanist hält sich eben nicht mit abdroschenem Fußball-Vokabular auf. Direkt und unkonventionell: So lässt sich nicht nur sein Auftreten, sondern auch seine Karriere beschreiben. Gleich in seiner ersten Anstellung als Cheftrainer erreichte er etwas, wonach viele seiner erfahrenen Kollegen ihr Leben lang vergeblich streben. Das Außergewöhnliche ist nicht die Tatsache, dass Oenning der Aufstieg mit den Nürnbergern gelang, sondern wie: Von Rang 14 in Liga zwei führte er den Klub aus vielen internen Unruhen heraus bis in die höchste deutsche Spielklasse. „Wir haben hier etwas geschafft, was keiner von uns erwartet hat“, sagte der gebürtige Coesfelder.

In einem Verein, dessen Ansprüche in der Vergangenheit allzu oft nicht mit der Realität Schritt halten konnten, formte Oenning mit Bescheiden- und Besonnenheit ein Team, das in Liga zwei mehr als nur konkurrenzfähig war. Dabei kam er ursprünglich nur als Assistent von Thomas von Heesen nach Nürnberg. Nach dessen Rausschmiss – nur zwei Spieltage durfte von Heesen in der Zweiten Liga bleiben – beförderten die Franken ihn Anfang September vom Interims- zum Cheftrainer und leiteten damit eine fränkische Erfolgsgeschichte ein. Seitdem ging es kontinuierlich aufwärts – nicht zuletzt durch die Transfers von drei jungen Spielern in der Winterpause, die dem erfahrenen Pokal-Sieger-Inventar von 2007 einen neuwertigen Eindruck verpassten.

Die beiden Tore im Relegations-Rückspiel illustrierten, mit wie viel Esprit die Franken ihren Aufstieg herbeiführten: Zunächst zirkelte Christian Eigler einen Schuss aus 20 Metern kunstvoll ins linke obere Eck, danach schob Marek Mintal den Ball fast ebenso gekonnt unten links ein. „Wir haben gezeigt, dass wir komplett hinter unserem Coach stehen und alles für ihn und den Verein geben“, sagte Angreifer Daniel Gygax.

Oenning ist damit gleichzeitg auch so etwas wie der Gegenentwurf zu Bojan Prasnikar. Der Cottbuser Trainer leitete eher eine Ansammlung exzentrischer Eigenbrötler als eine geschlossene, bundesligataugliche Mannschaft. Dieser Eindruck setzte sich auch am Sonntag fort. Zuerst gaben die Profis die Partie nach drei guten Gelegenheiten zu Beginn verloren, danach durften sie sich die Rügen ihres Fußballlehrers anhören. Nicht nur das Tempo seiner Angestellten war dem Slowenen zu gering. Auch dass nicht jeder den Klassenerhalt mit allen Mitteln erzwingen wollte, schloss er nicht aus. Der 56 Jahre alte Coach teilte nach der Partie nochmal richtig aus. Seine Position gab das her. Denn von den von Prasnikar über die ganze Saison beobachteten Turbulenzen ereilte ihn selbst wohl die spektakulärste. Einen Tag vor dem letzten Saisonspiel verkündeten die Lausitzer seinen Abschied.

Ein Schritt, der auch Michael Oenning noch ein Statement zum Gegner wert war. Für „alles andere als taktvoll und äußerst unglücklich“ hielt er das Vorgehen der Cottbuser Chefetage, die sich daraufhin fast entschuldigend an den Nürnberger wandte, um die Sachlage zu erläutern. Zur Nachfolge von Prasnikar wollte sich der Vorstand bisher hingegen noch nicht äußern – auch wenn Energies Anhänger per Plakat schon vor dem Spiel in Nürnberg einen Vorschlag für den vakanten Posten parat hatten: Ihrer Ansicht nach sollte Ulf Kirsten, der zuletzt immer wieder mit Cottbus in Verbindung gebracht wurde, den Klub wieder nach oben führen. „Wir haben uns noch nicht für einen neuen Trainer entschieden“, sagte Energies Präsident Ulrich Lepsch. „Aber eines ist klar: Es wird nicht leicht für uns.“ Weil der Etat von 24 auf 13 Millionen Euro zurückgefahren wird, dürfte Cottbus vor allem personell arg geschwächt in die Zweite Liga gehen.

Diese Sorgen haben sie gut 400 Kilometer weiter südwestlich nicht. Obwohl der Etat der Franken auf über 30 Millionen Euro anwächst, sehen die Planungen für die Erste Liga nur wenige Neustrukturierungen vor. „Wir wollen mit dieser tollen Mannschaft nahezu unverändert in die Bundesliga gehen“, sagte Michael Oenning. Dann ergoss sich das nächste Bier über seinem Kopf.

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