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Sport: Nun droht der Zerfall des Teams

Volleyballerinnen nach dem Olympia-Aus ratlos

Als alles vorbei war, musste Angelina Grün erst einmal ihre Freizeitgestaltung überdenken. „Ich weiß noch gar nicht, was ich morgen machen soll“, sagte die Spielführerin der deutschen Volleyballerinnen. Angesichts des Scheiterns wusste die Angreiferin nur, was sie nicht tun würde: „Das Endspiel schaue ich mir auf keinen Fall an.“ Zu schmerzlich wären die Eindrücke bei Russlands finalem 3:2-Sieg gegen Polen gewesen, mit dem sich die Russinnen für Peking qualifiziert haben. Schließlich wollte Grün mit ihrer Mannschaft selbst auf dem Parkett stehen, wenn das Ticket zu den Olympischen Spielen vergeben wird. Aber: Das deutsche Team war vorher bereits krachend durchgefallen. Das 0:3 (15:25, 23:25, 17:25) im Halbfinale gegen die langen Russinnen hatte am Samstag schonungslos offengelegt, wie weit die Spielerinnen von Bundestrainer Giovanni Guidetti vom internationalen Topniveau entfernt sind.

1996, 2000 und 2004 hatte es dreimal in Folge geklappt, sich für Olympische Spiele zu qualifizieren und auf dem Weg dorthin Konkurrenten aus dem Weg zu räumen, die in der Weltrangliste wesentlich weiter vorne notiert waren. Doch dieses Jahr reifte die Erkenntnis, dass die Qualität bei den deutschen Volleyballerinnen derzeit nicht ausreicht. Nur im Auftaktspiel gegen die Türkei gelang ein Sieg, es folgten drei Niederlagen und das Aus im Kampf um Peking. „Unsere Bilanz ist nicht gut“, räumte Guidetti ein.

Auch die Rückholaktion von Tanja Hart und Hanka Pachale hat das Team nicht nach vorne gebracht. Hart, der Zuspielerin aus Wiesbaden, war deutlich anzumerken, dass sie seit einem Dreivierteljahr keine Spielpraxis hat, und auch Pachale, die Angreiferin aus Schwerin, konnte kaum Impulse setzen. Während Tanja Hart nach der Niederlage gegen Russland zum zweiten Mal nach 2006 ihren Rücktritt erklärte, ist die Zukunft von Hanka Pachale noch offen. „Es wird schwierig werden, sie noch einmal für die Nationalmannschaft zu bekommen“, sagt Guidetti. Überhaupt steht zu befürchten, dass die schmetternde Belegschaft wegläuft, jetzt, wo das große Ziel verspielt ist.

„Wir müssen die Spielerinnen in die Arme nehmen und ihnen sagen: Bleibt zusammen!“, hat Werner von Moltke, Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes, nach dem Ausscheiden verkündet. Vor allem die Angst, Angelina Grün könne der Auswahl den Rücken kehren, ist groß. „Ohne Angelina haben wir ein großes Problem“, sagt Guidetti. „Wir brauchen sie noch zwei bis drei Jahre.“ Deutschlands beste Volleyballerin ließ ihre Zukunft aber offen. „Ich werde erst mal alles sacken lassen. Und im Sommer wird es für mich mehr Freizeit geben.“

Es wird schwierig, Ersatz für die Unersetzbare zu finden, weil die heimische Liga zu wenig gute Spielerinnen hervorbringt. Allein die Rückholaktion von Hart und Pachale hat gezeigt, wie groß der Mangel an gut ausgebildetem Personal ist. „Wir haben eine ganz dünne Decke“, hat von Moltke erkannt, „daran muss die Bundesliga arbeiten.“ Vor allem im Duell mit Russland war die physische Unterlegenheit der Deutschen deutlich geworden. „Natürlich brauchen wir große Spielerinnen“, hat Guidetti erkannt, „aber ich habe keine.“

Zumindest bekräftigte von Moltke in Halle, dass Guidetti nicht zur Disposition stehe. Der besitzt noch einen Vertrag bis 2010. Der Trainer weiß derlei Vertrauen zu schätzen. „In Italien“, sagt er, „wäre ich nach einer solchen Niederlage in einer Risikoposition. In Deutschland nicht.“

Felix Meininghaus[Halle, Westfalen]

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