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Sport: Nur das Ja-Wort fehlt

Raymond Domenech macht seiner Freundin einen Heiratsantrag, statt das EM-Aus zu beklagen. Wie es für ihn beruflich weitergeht, bleibt offen

Als alles vorbei war, hatte Raymond Domenech plötzlich ein inniges Bedürfnis nach menschlicher Nähe. Er, der sich auch nach der 0:2-Niederlage gegen Italien wieder einmal beim Schiedsrichter beschwerte. Er, der sich mit seinen Einwechslungen und taktischen Entscheidungen oft wenig Freunde macht. Domenech also wurde nach seiner Zukunft als französischer Nationaltrainer gefragt, worauf er antwortete: „Ich habe nur ein Vorhaben, und das ist Estelle zu heiraten. Ich halte heute um ihre Hand an.“ Jene Estelle Denis saß nicht etwa irgendwo vor einem Fernseher, sie moderierte eine Fernsehsendung rund um das Spiel der Franzosen. Nicht nur sie war verblüfft. Da war also Frankreich gerade ausgeschieden, und Domenech denkt nur an seinen ganz privaten Bund fürs Leben.

Damit scheint Domenech auch die letzten ihm Wohlgesinnten vergrault zu haben, obwohl er es am Tag danach bereute. „Ich habe einen Hauch Menschlichkeit gezeigt in einem Moment, in dem ich professionell hätte bleiben müssen“, sagte Domenech am Mittwoch. Noch am Dienstagabend forderten die ersten die Ablösung des Trainers, der noch einen Vertrag bis 2010 hat. Der Ex-Bayern-Spieler Bixente Lizarazu sagte, es sei „das Mindeste, dass es nach einem solchen Ausscheiden einen neuen Trainer geben wird.“ Er sprach sich für Didier Deschamps aus, der sich bereits ins Gespräch gebracht hat und bis vor einem Jahr Juventus Turin trainierte. Wie schon des Öfteren wird auch Jean Tigana gehandelt, der zuletzt bei Besiktas Istanbul gearbeitet hat. Ob Domenech überhaupt gehen muss, ist aber noch nicht sicher. Der französische Verband will seine Entscheidung erst am 3. Juli bekannt geben. „Wir werden die Tage bis dahin nutzen, um zu analysieren, was gut und was nicht so gut gelaufen ist, um dann eine Bilanz zu ziehen und eine Entscheidung zu treffen“, sagte Verbandschef Jean-Pierre Escalettes dem französischen Fernsehen. „Verträge sind dafür da, sie einzuhalten und ich bin kein Mensch, der so einen Vertrag aus einer Emotion heraus aufkündigt.“ Fest steht bisher nur das Ende der Nationalmannschaftskarrieren von Claude Makelele und Lilian Thuram. „Ich habe immer gesagt, dass dies mein letztes Turnier ist“, sagte Makelele. „Ich habe sehr viel Freude daran gehabt, dieses Trikot zu tragen. Jetzt muss die neue Generation ran und zusammenhalten.“ Beide wollen jedoch ihre Vereinskarrieren fortsetzen.

Den Wagemut Domenechs nach dem Spiel vermisste man bei vielen seiner sportlichen Entscheidungen während dieser drei EM-Gruppenspiele. Uninspiriert und bieder trat seine Mannschaft gegen defensive Rumänen auf, die guten Absichten gegen die Niederlande waren nach dem frühen Rückstand nur noch 20 Minuten lang zu sehen. Gegen Italien merkte man den Franzosen die hemmende Verunsicherung an. Sie wurde noch größer, als Franck Ribéry in der achten Minute Zambrotta foulte und danach selbst verletzt vom Platz transportiert wurde. Der befürchtete Unterschenkelbruch hat sich aber als schwere Prellung am Knöchel herausgestellt. Ribéry fällt voraussichtlich drei Wochen aus.

Für die Sportzeitung L’Equipe ist das EM-Aus ein „immenses Scheitern“. Domenech sieht das anders. Für ihn ist es nur eine „Enttäuschung.“ Die Nationalmannschaft sei ein Projekt, das weiterentwickelt werden müsse. Er räumte aber Fehler in der Kommunikation ein. Vor dem Turnier sprach Domenech davon, dass die EM ein „Experimentierfeld“ für die junge Generation sei. „Das war wohl eine falsche Botschaft“, sagte er. Trotzdem bereue er nichts, weil sich die Mannschaft in einer Übergangsphase befinde, in der eine neue Generation von Spielern herangeführt werden müsse. Ob er das tun wird, bleibt offen. Außer dem Heiratsantrag sagte Domenech zu seiner Zukunft nur: „Wie es mit mir weiter geht, spielt keine Rolle.“ Matthias Sander

Matthias Sander

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