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Sport: Nur ein Missverständnis?

Der Brasilianer Ailton hat sich zuletzt über seinen Arbeitgeber Schalke 04 beschwert – jetzt sagt er, er sei sehr zufrieden mit der Saison. Trotzdem könnte er im Pokalfinale gegen Bayern auf der Bank sitzen

Ailton ist ein bisschen enttäuscht von den Umgangsformen in Deutschland, vor allem von der mangelnden Höflichkeit der Sportjournalisten. „Keiner fragt mich: Toni, wie geht’s?“, klagt der brasilianische Stürmer des FC Schalke 04. Stattdessen wollten alle immer nur das Gleiche wissen: Wie es jetzt mit ihm weitergehe in Schalke und was denn da mit Katar laufe. „Ich bin müde, darauf zu antworten“, sagt Ailton, und deshalb hat er sich entschlossen, sich zu diesem Thema nicht mehr zu äußern. Ailtons Berater Roger Wittmann und dessen Firma Rogon haben dem Brasilianer jetzt eine Art Aufpasser an die Seite gestellt, der den Stürmer vor den Medien und letztlich vor sich selbst schützt. Jedes Interview ist zurzeit eines zu viel, und wenn es sich nicht verhindern lässt, dann bitte nur Fragen zum Pokalfinale am Samstag gegen Bayern München. „Er soll sich jetzt nur auf Fußball konzentrieren“, sagt Efraim Linck von Rogon, der sich nun verstärkt um seinen Landsmann Ailton kümmert.

Zuletzt ist der Eindruck entstanden, dass der Stürmer seine Profession nicht mehr allzu ernst nimmt. „Wie im Freibad“ hatte Trainer Ralf Rangnick den Brasilianer erlebt, als der vor ein paar Wochen beim Spiel gegen Leverkusen an der Werbebande lehnte, anstatt sich warm zu machen. Seit einer Woche nun ist Ailtons Abschied aus Schalke das mediale Überthema. Zwei Tage vor dem entscheidenden Saisonspiel in Freiburg hatte er in einem Interview mit dem „Kicker“ geklagt, Schalke verstehe ihn nicht. Umso bemerkenswerter ist die Gelassenheit, mit der Schalke in der entscheidenden Saisonphase den Wirbel zur Kenntnis genommen hat. Teammanager Andreas Müller sagt: „Wir wussten ja, was für einen Spieler wir bekommen.“ Einen, der heute ja sagt und morgen nein und alles nicht so gemeint hat, wie es in der Zeitung steht.

Also sagt Ailton, er habe nie gesagt, dass Schalke ihn nicht verstehe. Ein Missverständnis sei das gewesen. „Ich habe auch nie gesagt, dass ich Probleme mit Schalke habe oder mich nicht wohl fühle.“ Im Gegenteil: Er vertraue dem Manager, dem Trainer, den Mitspielern: „Mit meiner ersten Saison in Schalke bin ich sehr zufrieden.“ Müller findet, dass Ailton manchmal zu gutgläubig ist. In Wirklichkeit nämlich sei er ein ängstlicher Mensch, der nur für die Öffentlichkeit den starken Mann markiere.

Ein Jahr läuft Ailtons Vertrag noch, und der Brasilianer wird wohl in Schalke bleiben (Stand: heute). „Bisher war er nicht bei uns und hat gesagt, dass er weg will“, sagt Müller. Genauso wenig gebe es einen Geheimbeschluss des Vereins, Ailton bei einem angemessenen Angebot gehen zu lassen. Vorstandsmitglied Josef Schnusenberg hat sich zwar entsprechend geäußert, doch Manager Rudi Assauer sagt dazu nur: „Er ist unser Schatzmeister.“

Ailton hat es Schalke nicht immer leicht gemacht. Schon vor seinem ersten Arbeitstag äußerte er sich abschätzig über die Reize der Stadt Gelsenkirchen. „Es gibt eben Menschen, die mit dem Mund sehr schnell sind“, sagt Rolf Rojek, Vorsitzender des Schalker Fanclub-Verbandes. „Ich würde das nicht überbewerten.“ Dass in Internetforen fast ausschließlich auf Ailton geschimpft wird, gebe die Stimmung nur verzerrt wieder. Rojek schätzt, dass Sympathie und Antipathie in der Kurve fast gleichmäßig verteilt sind.

Teammanager Müller ist jedenfalls „sehr zufrieden mit der Saison, die Ailton gespielt hat“. 14 Tore hat er erzielt. Das sind zwar einerseits nur halb so viele wie vor einem Jahr in Bremen; andererseits ist Ailton damit Schalkes bester Torschütze. „Er bringt die Schnelligkeit in unser Spiel, die wir gesucht haben“, sagt Müller. Dafür nimmt sich Ailton die Freiheit, die Defensivarbeit weitgehend zu vernachlässigen. Lange Zeit war das kein Problem, weil die Mannschaft in der Lage war, diesen Ausfall zu kompensieren. Als jedoch am Ende der langen Saison, inklusive UI-Cup vorweg und DFB-Pokalfinale hintendran, die Kräfte schwanden, konnten Schalkes Spieler nicht auch noch für ihren Kollegen mitlaufen. „Wichtig ist, dass die Mannschaft nicht darunter leidet“, sagt Andreas Müller über Ailtons Spielweise.

Die Frage ist, ob das nicht längst der Fall ist. Trainer Ralf Rangnick jedenfalls hat schon vor einigen Wochen gesagt, dass er bereits viel zu viel Verständnis in Ailton investiert habe. Damit ist es inzwischen vorbei. In den letzten neun Spielen der Saison saß Ailton sechsmal auf der Bank, und dass ihm das auch im Pokalfinale droht, ist zumindest nicht ausgeschlossen. Ailton sagt: „Egal, ob ich auf der Bank sitze oder spiele – ich werde mich von der ersten Minute an darauf konzentrieren, dass wir das Finale gewinnen.“

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