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Sport: Nur keine Angst

Die deutschen Fußballer wollen gegen Tschechien zeigen, dass sie mit Teamgeist gewinnen können

Als sich neulich Bundestrainer Michael Skibbe und die Fußball-Nationalspieler Oliver Kahn und Philipp Lahm nacheinander den Fragen der EM-Beobachter stellten, trugen sie alle drei das gleiche T-Shirt. Es war schlicht in Weiß gehalten und trug den Schriftzug „Deutschland“ vor der Brust. Es ist so ein Shirt, das in seiner Art seit einiger Zeit auch in deutschen Städten modern ist, wo Stadtnamen wie Hamburg oder Berlin als Bekenntnisse getragen werden. Der Stuttgarter Philipp Lahm sagte, er trage das Shirt, weil es „irgendwie fesch“ aussehe. Aber die Älteren, der 38-jährige Skibbe und der 34-jährige Kahn, trugen es eben auch, und der Einheitslook passte schön ins Bild: Die Deutschen brauchen bei dieser EM System und Geschlossenheit, um Erfolg zu haben.

„Wir müssen versuchen, mit anderen Mitteln zum Erfolg zu kommen“, sagt Rudi Völler wenige Stunden vor dem entscheidenden Gruppenspiel gegen Tschechien. Und was sind diese anderen Mittel wohl, wenn anscheinend die fußballerischen nicht mehr ausreichen? Bei der Antwort ist man schnell wieder beim Erscheinungsbild des Teams: Niemand tanzt aus der Reihe, alle beschwören den intakten Mannschaftsgeist, alle reden von der guten Stimmung. Keine Kritik an Mitspielern, keine Schwäche zeigen.

Der Spezialist in dieser heiklen Angelegenheit ist Michael Skibbe. Der Bundestrainer redet in einem immer gleichen Tonfall mit dem immer gleichen Ziel – die Mannschaft stark zu machen. Innere Zweifel, die dem einen oder anderen Spieler nach dem 0:0 gegen Lettland gekommen sein könnten, überrollt er mit zum Teil forschen Sätzen. Skibbe redet dann von „großen Qualitäten im Team“, von „absoluter internationaler Wettbewerbsfähigkeit“ und davon, dass er „felsenfest davon überzeugt“ sei, das gerade anstehende Spiel zu gewinnen. Dass dies den Deutschen bei der EM schon zweimal nicht gelang, blendet Skibbe aus.

Die Mannschaft lebt und bewegt sich in gleichen, immer wiederkehrenden Abläufen. Alle gehen gemeinsam zum Essen, zum Training und um elf Uhr zu Bett. Egal, welcher der 23 Spieler gerade Rede und Antwort stehen muss, der Rest hockt in den Zimmern hinter den hohen Zäunen und Mauern des Mannschaftsquartiers und verfolgt die Liveschaltung aus dem DFB-Medienzentrum im Fernsehen. Es ist ein bewusst gewählter Rhythmus, einer, der prägt, und einer, der von eventuellen Ablenkungen ablenkt.

Warum auch nicht? Dietmar Hamann hat gesagt, dass es sicherlich bessere Mannschaften gebe, „aber das hat uns schon in Asien nicht davon abgehalten, ins Finale zu kommen“. Und auch diesmal soll das Unmögliche gelingen, und das ohne die besten Techniker, ohne die gefährlichsten Stürmer, ohne die sicherste Abwehr – aber mit einem Michael Ballack. Und mit Hierarchie und Rhythmus. Zur Hierarchie gehört natürlich Dietmar Hamann, „mein Stratege“, wie der Teamchef sagt. Ballack und Hamann, das sind die beiden Köpfe in der Mannschaft, sie sind die Anführer im System Völler. Die Hierarchie ist flach, aber sie hält die Ordnung. Selbst Oliver Kahn muss sich in diese Hierarchie fügen, weil er die Mannschaft nicht mehr so prägen kann wie noch vor zwei Jahren bei der Weltmeisterschaft. Das liegt auch daran, dass ihm der enge Draht zu den Spielern fehlt. Stürmer Kevin Kuranyi, einer der jüngeren Spieler im Team, sagt: „Kahn kenne ich nicht so gut. Er hat seine Art. Es ist schwierig, an ihn heranzukommen.“

So bleiben die Achse Ballack-Hamann und das Vertrauen in die eigene Stärke. Hinzu kommt mannschaftliche Geschlossenheit. Michael Ballack sagt: „Wir wissen, was wir können, und auch, was wir nicht können.“ Vielleicht reicht das, wenn alle Spieler ihre optimale Leistung abrufen können, wenn es keine Einzelinteressen gibt, die die Harmonie stören. Der immer gleiche Rhythmus, die flache Hierarchie, die Monotonie der Abläufe – all das hat die deutsche Mannschaft in den Tagen der EM zu einer „verschworenen Gemeinschaft“ geformt, wie Völler sagt – und hofft.

Heute werden die Spieler noch einmal gemeinsam laufen, zu Mittag essen, Ruhe halten, zur Mannschaftsbesprechung gehen und dann im Bus mit der Aufschrift „Wir bringen die Sache ins Rollen“ ins Stadion fahren. Dann, sagt Völler, „muss jeder verinnerlicht haben, dass uns unsere Gegner etwas wegnehmen wollen“. Und zwar nicht die T-Shirts.

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