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Sport: Odyssee durch den Strafraum

Schalkes Torhüter Ünlü weint nach dem Sieg in Bochum Tränen der Erleichterung

Bochum. Am Ende waren die Rollen auf wundersame Weise vertauscht. Aus den Augen eines unglücklichen Gewinners ergoss sich ein Sturzbach von Tränen. Der Schalker Torwart Volkan Ünlü heulte wie ein Schlosshund. Sein Bochumer Kollege Rein van Duijnhoven nahm ihn in den Arm und versuchte den Untröstlichen zu trösten. Der niederländische Schlussmann des VfL Bochum steckte die erste Niederlage seiner Mannschaft nach zehn Bundesligarunden weg wie ein Profi. Sein persönlicher Rekord war beim 1:2 im Ruhrderby nur eine Fußnote. Bevor Thomas Kläsener und Michael Delura mit ihren Treffern in der Schlussphase aus einer scheinbar unvermeidlichen Niederlage einen Schalker Sieg machten, hatte van Duijnhoven im Ruhrstadion 911 Spielminuten lang kein Gegentor zugelassen.

Dennoch fand er die Kraft, seinen jungen Kollegen aufzumuntern. Volkan Ünlü war am Boden zerstört und zog sich verschämt das Trikot über den Kopf, weil er sich kaum traute, den jubelnden Schalker Fans unter die Augen zu treten.

Der Ersatztorhüter des FC Schalke 04 hatte im ausverkauften Ruhrstadion einen sportiven Albtraum erlebt. Und doch gab es für die Gelsenkirchener ein süßes Erwachen. Beim 2:1 in Bochum waren dem Zwanzigjährigen allerlei Fehler unterlaufen. Ünlü verunsicherte seine Vorderleute so sehr, dass es nur eine Frage der Zeit zu sein schien, wann der VfL Bochum die Partie entscheiden und Schalke aus dem Rennen um die Europapokalplätze verabschieden würde. Doch die Bochumer ließen die Vorlagen ungenutzt, die Ünlü ihnen lieferte. In einem lichten Moment verhinderte der Torwart mit einem Reflex sogar den Ausgleich.

Als seine Irrfahrt durch den Strafraum beendet war und Ünlü wieder zu sich kam, widmete er einen Teil der Tränen den gegnerischen Fans: „Es waren Tränen der Freude und der Genugtuung, weil die VfL-Fans mich verspottet haben.“ In der zweiten Hälfte hatten die Einheimischen bei fast jedem Ballkontakt des Torwarts höhnisch applaudiert. Ünlü will schon vor dem Anpfiff gemerkt haben, „dass es ein besonderes Spiel wird“. Und er bewegte sich in seinem Terrain, als wäre ihm die Sonderrolle, die er dabei spielte, jederzeit bewusst gewesen. „Volkan hat schon vor dem Spiel nervös gewirkt und war in sich gekehrt“, sagte Jupp Heynckes, der Trainer des FC Schalke 04. „Er hat sich viel zu sehr unter Druck gesetzt. Beim nächsten Spiel in unserer Arena hat er Gelegenheit, sich wieder zu beruhigen“.

Nach Meichelbecks Führungstor hatte es zunächst so ausgesehen, als beugten die Schalker sich dem Schicksal, das in den zurückliegenden Monaten die meisten Auswärtsmannschaften im Ruhrstadion ereilt hatte. Der VfL hatte sechzehn Heimspiele in Serie nicht verloren, die meisten davon sogar gewonnen. Doch diesmal währte der Hurrastil nur eine Halbzeit lang. „Wir haben den Vorsprung nur noch verwaltet“, sagte der Bochumer Trainer Peter Neururer. Wäre ihnen dieses Vorhaben gelungen, hätten die kickenden Verwaltungsangestellten des VfL den Abstand zu Schalke auf acht Punkte vergrößert. So aber haben die Gelsenkirchener ihren Rückstand auf zwei Zähler verringert, und Ünlüs Unglückstag hatte ein Happy End.

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