zum Hauptinhalt

Sport: Öffentlicher Rempler

Die Nationalmannschaft verarbeitet die Niederlage mit Kritik an den Kritikern

Wer bisher geglaubt hat, Oliver Bierhoff sei nur ein eloquenter Verkäufer einer hübschen Vision, darf sich seit gestern korrigieren. Der Mann, der vor einem Jahr als Manager der deutschen Fußballnationalmannschaft angetreten ist, lieferte in Bremen den Beweis, warum seine Position notwendig ist. Das Projekt 2006, das im Gewinn der Weltmeisterschaft zu münden hat, ist erheblich ins Wanken geraten. Doch die massive Kritik nach der 0:2-Niederlage in der Slowakei hat in Bierhoff alte Instinkte zum Leben erweckt, und so sah sich der ehemalige Keilstürmer genötigt, in die Offensive zu gehen, um das schöne und junge Gebilde Nationalmannschaft zu verteidigen. „Teilweise halte ich die Kritik für überzogen und respektlos“, sagte Bierhoff.

Oliver Bierhoff ist zu intelligent, als dass er Kritik an der Kritik mit Schaum vor dem Mund vortragen würde. Denn auch ein noch so eloquenter Verkäufer wie er wird ein schlechtes Produkt nicht als gut verkaufen können. Genau darum ging es ihm: Nicht das Produkt sei schlecht, sondern seine Herstellungsphase sei von Störungen unterbrochen worden. „Die Störungen kommen nicht nur von außen, sondern auch die Leistung hat nicht gestimmt“, sagte Bierhoff. Wie in der Wirtschaft gebe es kein stetes Wachstum, sondern auch Momente des Stillstands. „Durch diesen Moment gehen wir gerade durch. Aber wir wollen im Sommer 2006 top sein, nicht jetzt.“ Das junge Team werde das jüngste Negativerlebnis zu verarbeiten und daraus zu lernen haben. „Es ist schon dabei.“

Bierhoffs Offensive war in erster Linie darauf ausgerichtet, das bisher Erreichte zu verteidigen. Er schlug einen gewagten Bogen, als er noch einmal daran erinnerte, wie es vor über einem Jahr mit der Nationalmannschaft stand. Beim 1:5 gegen Rumänien habe es schon zur Halbzeit 0:4 gestanden, man habe 0:2 gegen Ungarn verloren und sei bei der Europameisterschaft in der Vorrunde gescheitert. „Die Spieler wurden als Deppen Europas betitelt“, sagte Bierhoff, „und was haben wir jetzt?“ Etwa immer noch Aufbruchstimmung? „Ja, und ich hoffe auf Kritik mit einem gewissen Maß.“

Sowohl die Mannschaft als auch die sportliche Führung sei derzeit nicht zufrieden mit den Leistungen. Es wurden technische und taktische Fehler begangen. Die Stimmung sei nicht gerade bestens, „kann sie auch gar nicht sein, aber es wird keine Panik ausbrechen“, sagte Bierhoff. Noch beim Essen nach dem Länderspiel hätten die Spieler beisammen gesessen und intensiv über die Fehler gesprochen, erzählte etwa Miroslav Klose. „Wir als Führungsspieler haben einen Schlussstrich gezogen und uns gesagt, dass es so nicht weitergehen kann. Wir müssen den jungen Spielern als Beispiel vorangehen.“ Von übertriebener Kritik der Medien allerdings habe er „nichts mitbekommen“, was wahrscheinlich daran liegt, dass Klose selten Zeitung liest.

„Scharfe Kritik haut uns nicht um“, sagte Bierhoff, gegen Respektlosigkeit aber möchte man sich verwahren. Dann nämlich, „wenn Spieler lächerlich gemacht werden, oder es mit Sarkasmus passiert“. Die sportliche Führung, vor allem die Trainer, sei ausdrücklich kritikfähig. „Natürlich diskutieren wir, und manchmal wissen wir später, was wir vielleicht verkehrt gemacht haben“, sagte Bierhoff.

Die Rotation im deutschen Tor nahm Bierhoff ausdrücklich aus, auch wenn diese seit Wochen öffentlich diskutiert wird. „Warum sollten wir uns nach der Öffentlichkeit richten und Dinge tun, von denen wir nicht überzeugt sind? Wir würden ja verrückt werden“, sagte Bierhoff. Weder die Torhüter untereinander hätten Ärger, noch gäbe es zwischen ihnen und den Trainern Scherereien. „Die Probleme sind von außen hineingetragen worden“, sagte Bierhoff. Allerdings gab der Manager zu, das Thema etwas unterschätzt zu haben. „Wir hatten gehofft, dass sich das Thema nicht so lange hält, aber da müssen wir jetzt durch.“

Jetzt, da die Euphorie, die die deutsche Elf während des Confed-Cups ausgelöst hatte, verloren zu gehen scheint, setzt Oliver Bierhoff auf die Selbstheilungskräfte der Mannschaft. Die Zielrichtung stimme, der Charakter und die Philosophie sowieso. So würden die Spieler viel miteinander sprechen, sich selbstkritisch auseinander setzen: „Die Mannschaft will gegen Südafrika ein positives Zeichen setzen.“ Für den Fall, dass dies am Mittwoch (20.30 Uhr, live in der ARD) nicht geschieht, hat Assistenztrainer Joachim Löw der Mannschaft schon im Voraus „eine handfeste Krise“ prophezeit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false