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Noch in der Nacht auf Sonntag wurde Langläufer Johannes Dürr aus dem Olympischen Dorf gewiesen.

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Österreich verstößt Doping-Sünder Dürr: "Wir haben uns den Arsch aufgerissen für den Hund"

Zuerst hatten sie noch über Deutschlands Doping-Fall gelästert. Doch dann wurde auch die Olympia-Welt der Österreicher durch einen positiven Befund schwer erschüttert. Das Vergehen von Langläufer Johannes Dürr überschattet nun ihre Spiele.

Im Austria-Tirol-Haus ist die Medaillenfeier gerade voll im Gang, als bei einigen hochrangigen Herren Hektik ausbricht. Die Nachricht vom Dopingfall des österreichischen Langläufers Johannes Dürr erreicht ÖOC-Präsident Karl Stoss und seine ausgelassen feiernde Entourage mitten im kollektiven Jubel über den sportlichen Super-Samstag.

Wenige Stunden später ist der Glanz der fünf Medaillen verblasst. Im Austria-Tirol-Haus werden gerade die letzten Spuren der Medaillenparty verwischt, da muss  Karl Stoss einen anderen Scherbenhaufen beseitigen. Entsetzt spricht der Präsident von einem  „schwarzen Sonntag“, einem „traurigen Kapitel“ und vom „großen Schock“ - „für uns  alle  ist eine Welt  zusammengebrochen. Diese Betrügereien hätten wir nie in unserem Team erwartet“.

Noch in der Nacht auf Sonntag wurde Dürr aus dem Olympischen Dorf gewiesen und aus der österreichischen Olympia-Mannschaft ausgeschlossen. Die Heimreise musste der Niederösterreicher in einem Linienflugzeug antreten, der für ihn reservierte Platz in der Chartermaschine blieb leer.

Vor einem Tag noch Traumbursche - „Und was sage ich heute?“

Überhaupt war man beim ÖOC sichtlich bemüht, auf Distanz zu gehen. Für die eiligst einberufene Pressekonferenz, die in Österreich um 6.45 Uhr live übertragen wurde, wurde die riesige  Sponsorenwand, die normal immer medienwirksam in den Mittelpunkt gerückt wird, mit weißer Folie überklebt. Stoss verzichtete bei seinem Auftritt demonstrativ auf das offizielle Olympia-Outfit, und Pressechef Wolfgang Eichler bemühte sich sichtlich, die ÖOC-Geldgeber nicht ins Bild und damit in die Nähe der aktuellen Doping-Affäre zu rücken.

Wieder hat Österreich bei Olympia einen Doping-Skandal. Wieder einmal betrifft es das österreichische Langlauf-Lager. Und wieder wird der legendäre Spruch von Peter Schröcksnadel strapaziert: „Austria is a too small country to make good doping“, hatte der ÖSV-Präsident 2006 bei den Spielen in Turin launig in die internationale Journalistenrunde geworfen, nachdem in den Quartieren seiner Langläufer und Biathleten Razzien durchgeführt worden waren. Schon damals hatte Schröcksnadel den beteiligten Sparten mit dem Rauswurf aus der ÖSV-Familie gedroht. Später wurde ihm, ÖSV-Sportdirektor Markus Gandler und weiteren Mitgliedern in Turin wegen der Dopingaffäre jahrelang der Prozess gemacht. „Erst vor zwei Tagen habe ich ein Schreiben aus Turin bekommen, dass alles abgeschlossen ist. Freisprüche. Und jetzt so etwas. Das ist das Schlimmste, was ich mir nie mehr erträumt habe, dass das passiert“, sagte Gandler.

Der zuständige österreichische Sportdirektor für  Langlauf und Biathlon verteufelt seinen Langlauf-Star, den er vor wenigen Wochen nach seinem dritten Platz bei der Tour de Ski  noch in den Himmel gelobt hatte. „Dann haben wir so einen Schurken, wo ich noch vor einem Tag gesagt habe: ein Traumbursche. Und was sage ich heute? Wir haben uns den Arsch aufgerissen für den Hund. Und dann wirst du so betrogen. Mir ist das wurscht, er muss nicht Dritter in der Tour de Ski werden, ich bin mit einem 15. Platz  auch zufrieden.“

Auch Dürrs Zimmerkollege Bernhard Tritscher, der gestern als einziger Österreicher noch das 50-Kilometer-Rennen absolvierte (Platz 24), ist wegen seines Freundes angefressen: „Das mit Joe ist Scheiße. Ich bin enttäuscht von ihm. Für den Langlaufsport ist es zum Weinen.“

Den Österreichern ist das Lachen vergangen

Denn durch Dopingsünder Dürr wird nun wieder die Glaubwürdigkeit des gesamten Langlaufsports infrage gestellt. Und das in Zeiten, in denen die Nachwuchsarbeit wieder erste Früchte trägt und sich Seefeld für die Nordische WM 2019 bewirbt. Zumal auch Markus Gandler sagt: „Ich kann in keinen mehr ein Vertrauen haben.“

Im Haus Austria-Tirol herrschte am Schlusstag Katerstimmung. Und so mancher fühlte sich an den Freitag erinnert, als das erste Gerücht eines deutschen Dopingfalls die Runde machte und laut über den großen Nachbarn gelästert wurde. Seit dem positiven Dopingtest von Johannes Dürr ist allen das Lachen vergangen.

Christoph Geiler

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