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Offensivmann Raffael: Der Reißer ist das nicht

Der Brasilianer Raffael ist trotz seiner fußballerischen Qualitäten Teil des Problems bei Hertha BSC. Das Schicksal des Klubs scheint ihm einerlei zu sein, beim Fehlschuss in Frankfurt verzog er keine Miene.

Nur noch zwei Minuten waren zu spielen, da lief Raffael auf Halbrechts noch einmal auf das Frankfurter Tor zu. Es sieht immer so leicht aus, wie Berlins Brasilianer über den Rasen schwebt, so elegant, so ganz ohne Anstrengung. Jedenfalls hatte der Spielmacher den Siegtreffer auf dem Fuß, er schoss auch, doch der Frankfurter Torwart Oka Nikolov streckte eben mal sein linkes Bein raus – das reichte, um den Schuss zu parieren. Es blieb beim 2:2 in Frankfurt. Für Hertha BSC ist der Punkt zu wenig, sehr wahrscheinlich werden die Berliner absteigen und mit oder ohne Raffael in die Zweite Liga gehen. Dem Brasilianer scheint das Schicksal des Klubs einerlei zu sein, beim Fehlschuss verzog er keine Miene.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Raffael den Berliner Bundesligisten zwischenzeitlich mit 2:1 in Führung gebracht hatte. Einen Schuss von Adrian Ramos, den Nikolov prallen lassen musste, drückte er über die Linie. Kein Kunststück, aber immerhin. Es ist ohnehin nicht die Zeit für Kunststücke. Hertha steht seit dem sechsten Spieltag, seit dem 20. September 2009, am Tabellenende und kämpft seitdem ums sportliche Überleben in der höchsten Spielklasse. Dass es dafür wahrscheinlich nicht reichen wird, liegt auch an Spielern wie Raffael. Nicht, dass der Brasilianer nicht die technischen Qualitäten hätte. Aber ja doch, keiner aus der Berliner Mannschaft ist so mit diesem Talent in den Füßen gesegnet wie er. Raffael kann so ziemlich alles am Ball: dribbeln, passen, schießen, einfädeln – der 25 Jahre alte Raffael ist fußballerisch beinahe komplett. Eigentlich viel zu gut für einen Absteiger.

Und gerade deshalb ist er ein Teil des Problems bei Hertha BSC: Sieht alles recht hübsch aus, was er, was die Mannschaft macht, nur kommt nicht viel dabei herum.

Friedhelm Funkels Vorgänger Lucien Favre war es, der seinen Lieblingsspieler aus gemeinsamer Zeit beim FC Zürich unbedingt haben wollte. Dieter Hoeneß verhandelte monatelang, bot mal wieder mehr als er hatte und erfüllte am Ende seinem Trainer Favre den Wunsch. Seit dem Sommer 2007 spielt Raffael für Hertha. Meist an exponierter Stelle, als Spielmacher oder hängende Spitze. Inzwischen hat er es in 76 Spielen auf 16 Tore gebracht – eine ordentliche Quote. Geliebt wird er vom Anhang trotzdem nicht. Dafür kommt er auf dem Rasen viel zu emotionslos rüber.

An guten Tagen, besonders wenn die Sonne scheint, der Gegner nicht allzu körperlich zu Werke geht und Hertha nach Möglichkeit noch führt, kann es eine wahre Freude sein, Raffael zuzuschauen. Er ist schon gedanklich meist schneller als seine Gegenspieler, oft leider auch schneller als seine Mitspieler. Wenn Hertha gut spielt, wie in der Vorsaison, kann einer wie Raffael das Spiel noch mal eine Idee besser machen. Bei Hertha ist er der Mann für die besonderen Momente. Und auch am Sonntag in Frankfurt blitzte immer mal wieder die individuelle Klasse Raffaels auf. Nur in den entscheidenden Momenten bleibt er wirkungslos. Vermutlich liegt es daran, dass Raffaels Art, Fußball zu spielen, bezogen auf seine Mitspieler so gar nichts Mitreißendes hat.

Der 25-Jährige hat wenig von einem Strategen, von einem Leader, von einem Taktgeber. Dabei braucht eine unruhige und verunsicherte Mannschaft wie Hertha anno 2010 eine Führungsfigur, einen Spieler, der Halt bietet und Orientierung gibt, einen, der auch mal dazwischenfunkt, wenn es sein muss. Aber genau diese Qualitäten fehlen dem Brasilianer. Und wenn dann auch noch die Qualität im Sturm fehlt, verblasst das Tun eines solchen Spielers, der mehr Vorbereiter als Vollender ist.

Friedhelm Funkel mag nicht auf einzelne Spieler eingehen. Schon gar nicht auf Raffael. Der Brasilianer sorgt immerhin dafür, dass es nach Fußball aussieht, was Hertha abliefert. Wie ein Absteiger spielen die Berliner zumindest in der Rückrunde wahrlich nicht; allein es fehlen die Resultate. Sinnbildlich dafür steht Raffael. Funkel winkt ab. Herthas Trainer trägt nach wie vor den Glauben an das Wunder vor sich her. Die Leistungen seiner Mannschaft in den vergangenen Wochen würden ihn bestärken, sagte er. „Wir werden nicht aufgeben.“

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