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Sport: Offiziell verrückt

Der März ist der Monat im amerikanischen Sportkalender, in dem alle offiziell ein wenig verrückt sein dürfen. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen.

Der März ist der Monat im amerikanischen Sportkalender, in dem alle offiziell ein wenig verrückt sein dürfen. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen. „March Madness“ bezeichnet die Zeit, in der die besten Basketball-Teams der Colleges zu ihren großen Turnieren antreten, bei denen die Sieger im K.-o.-Verfahren gekürt werden. Zehntausende Studenten ziehen durch die Lande, wild bemalt und in Schulfarben gekleidet, um ihre Mannschaften anzufeuern. Erwachsene nehmen Urlaub, um sich mit bemaltem Gesicht und Oberkörper unter die Studenten ihrer alten Alma Mater zu mischen und davon später mit verklärten Augen im Büro zu erzählen. Im Fernsehen laufen die Spiele praktisch rund um die Uhr auf mehreren Kanälen gleichzeitig.

Die Faszination für das Spektakel hat mehrere Gründe: Zum einen lieben alle die rohe Begeisterung, die von den Amateuren ausgeht. Die unverdorbene Lust am Spiel dominiert, die meisten kämpfen um Ruhm und Ehre, von der sie ein ganzes Leben lang zehren wollen. Nur ein Bruchteil schafft es später in die gut dotierten Profiligen. Außerdem blicken die meisten später mit Verklärung auf ihre Collegezeit zurück. Alles schien möglich, viele treffen dort ihre erste große Liebe. Dass man seinem College später treu bleibt, ist Ehrensache. Mit der Wirklichkeit hat dieses Märchenszenario allerdings nur noch wenig zu tun.

Zwar ist es den College-Athleten weiterhin verboten, Geld anzunehmen, trotzdem sind sie Teil einer Milliarden schweren Maschinerie. „March Madness“ zieht mehr Fernsehzuschauer an und generiert mehr Werbeeinahmen als der Super Bowl. Die Sport-Abteilungen der Colleges sind Millionen-Unternehmen, die von professionellen Managern geführt werden. Wie etwa Gene Smith, Athletic Director des Ohio State Colleges, der größten Sportfabrik im Lande. Seine Abteilung nahm im vergangenen Jahr 104,7 Millionen Dollar ein, am Ende blieben 2,9 Millionen Dollar Profit. Er steht 300 Angestellten vor, ist der Chef von 926 Sportlern in 36 Sportarten. Allein neun seiner Mitarbeiter kümmern sich darum, dass niemand gegen die strengen Regeln der National Collegiate Athletic Association (NCAA) verstößt.

Die NCAA wacht darüber, dass der Amateurgedanke nicht ganz dem Mammon zum Opfer fällt, ein scheinbar hoffnungsloses Unterfangen. Weil sie die Nachwuchstalente nicht mit Geld ködern dürfen, bieten die Colleges ihnen die tollsten Stipendien an und locken sie mit dem Versprechen, dass sie sich um die akademische Seite ihrer Ausbildung keine Sorgen zu machen brauchen. Es gilt die Faustregel, dass, je größer das Talent auf dem Feld, desto geringer die Gefahr, in einer Prüfung durchzufallen. Wenn alle Stränge reißen, stehen Heerscharen von Tutoren bereit und die Tests dürfen unbegrenzt oft wiederholt werden. Weil der NCAA schwant, dass das so nicht ganz richtig sein kann, hat sie Regeln eingeführt, die die Colleges zwingen, sich auch um den akademischen Fortschritt ihrer athletisch begabten Studenten zu kümmern. In Ohio-State zeigt das erste Erfolge: Im vergangenen Frühjahr schafften fünf Spieler des Basketballteams ihren Abschluss – das hatte es seit Mitte der 80er Jahre nicht mehr gegeben.

An dieser Stelle erklären die US-Korrespondenten und Sebastian Moll regelmäßig Phänomene aus dem nordamerikanischen Sport.

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