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"Ofsayt" - Die Fußballkolumne aus der Türkei: Alles oder nichts für den Imperator

In der WM-Qualifikation darf sich die Türkei keine Schwächen mehr erlauben, auch am Mittwochabend gegen Rumänien nicht. Andernfalls dürfte es selbst für einen Unantastbaren eng werden: Nationaltrainer Fatih Terim.

Wie auf einer Achterbahn werden die Gefühle der türkischen Fußballfans derzeit durchgeschüttelt. Nach einer ziemlich verkorksten Serie von WM-Qualifikationsspielen zog der Verband vor wenigen Wochen Konsequenzen und entließ Nationaltrainer Abdullah Avci, dafür wurde kurzfristig der Trainer des amtierenden Meisters Galatasaray Istanbul, Fatih Terim, verpflichtet. Als Retter in der Not soll Terim in den verbliebenen vier Spielen die Wende herbeiführen und die WM-Teilnahme sichern. Doch selbst der „Imperator“, wie Terim in der Türkei genannt wird, hat Schwierigkeiten. Unter anderem mit einem Virus.

Zunächst lief alles prächtig für Terim. Zum Auftakt seiner Mission als Nationaltrainer schossen sich seine Spieler am vergangenen Freitag beim 5:0 gegen Andorra den Frust von der Seele. Star auf dem Feld war Umut Bulut aus Terims Mannschaft Galatasaray, der einen Hattrick schaffte. Mit großer Hoffnung blickten die Türken anschließend auf das heute anstehende Auswärtsspiel gegen Rumänien. Nur ein Sieg kann den Türken helfen, in ihrer Gruppe noch einen Platz für die Playoffs hinter den uneinholbaren Niederlanden zu ergattern.

Schon unter normalen Umständen wäre das eine schwierige Aufgabe, schließlich wollen auch die Rumänen im kommenden Jahr bei der WM in Brasilien dabei sein – und sie haben drei Punkte mehr als die Türken, die bisher nur zehn Zähler aufweisen können. Außerdem ist da noch Ungarn, das elf Punkte aufweist und mit einem Heimsieg gegen Estland die Türken auf Abstand halten kann, selbst wenn Terim gegen Rumänien siegt. Außerdem müssen die Türken im Oktober noch gegen den Gruppenersten Niederlande antreten, während Rumänien mit Estland und Andorra relativ leichte Gegner hat.

Als wäre das noch nicht ungünstig genug, ging im türkischen Team kurz vor dem entscheidenden Spiel gegen Rumänien eine Virusinfektion um, die mehrere wichtige Spieler außer Gefecht setzte, darunter Mittelfeldstar Arda Turan von Atletico Madrid. Umut Bulut, der Hattrick-Torschütze aus dem Andorra-Spiel, war in den vergangenen Tagen verletzt, genau wie Torjäger Burak Yilmaz. Laut Terim konnten alle Akteure rechtzeitig vor dem Rumänien-Spiel wieder auf die Beine gebracht werden, doch ob sie mit voller Energie spielen können, bleibt abzuwarten.

Und dann ist da noch der Schiedsrichter. Der Norweger Svein Oddvar Moen ist den Türken in unguter Erinnerung, seit er in einer Champions-League-Begegnung zwischen Real Madrid und Terims Galatasaray einige umstrittene Entscheidungen gegen die Türken fällte.

Terim will dennoch an einen Sieg glauben. Talentierte Spieler könnten alles erreichen, sagte er, auch wenn die Aufgabe sehr schwer sei: „Wir wollen ein Wunder.“ Die Presse feuerte die Mannschaft kräftig an: „Alles oder nichts“, titelte die Sportzeitung „Fanatik“. Wenn es nicht funktioniert, wird der „Imperator“ wohl nicht mehr lange Nationaltrainer sein.

Thomas Seibert lebt seit 1997 in Istanbul und arbeitet für den Tagesspiegel als Türkei-Korrespondent. Immer dienstags schreibt er an dieser Stelle seine Kolumne "Ofsayt" über den türkischen Fußball.

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