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Caner Erkin.

© AFP

Ofsayt - Die Fußballkolumne aus der Türkei: Das Phantom von Kayseri

Nationalspieler Caner Erkin steht in der Türkei im Zentrum eines Skandals: Er beging eine rüde Tätlichkeit vor den Augen der Schiedsrichter, eine Strafe erhielt er nicht. Das hat Tradition in der Süper Lig, wo die Istanbuler Klubs protegiert werden.

Nicht nur in Deutschland, wo das Leverkusener Skandal-Tor die Gemüter erregt, wird derzeit über all die Dinge diskutiert, die Schiedsrichter in Profispielen nicht sehen. Auch in der Türkei wundert man sich über die Unparteiischen. In der 40. Minute des Spiels der zentralanatolischen Mannschaft Kayserispor gegen den Istanbuler Club Fenerbahce ereignete sich an der Seitenauslinie nahe den Trainerbänken ein Zwischenfall, den Millionen Menschen am Fernsehen und anschließend im Internet sahen – nur der Schiedsrichter sah nichts.

Yasin Öztekin, ein in Dortmund geborener Mittelfeldspieler in Kayseri, dribbelte an der Seitenauslinie zwischen mehreren Fenerbahce-Spielern, kam zu Fall und begrub den Ball in Erwartung eines Pfiffs des Schiedsrichters unter sich. Der Pfiff kam nicht, dafür kam Caner Erkin von Fenerbahce. Erkin trat auf den am Boden liegenden Öztekin ein, um an den Ball zu kommen. Nicht einmal trat er zu, sondern dreimal. Erst dann gab Öztekin den Ball frei, und Erkin stürmte davon, bevor er vom Unparteiischen endlich gestoppt wurde. Eine Karte sah der bereits verwarnte Spieler allerdings nicht. (Clip zum Foul: http://www.youtube.com/watch?v=uoALbVqG3tg)

Fenerbahces Trainer Ersun Yanal reagierte sofort und nahm Erkin sicherheitshalber aus dem Spiel. Er kenne den Spieler seit dessen 16. Lebensjahr, sagte der Trainer hinterher. „Heute habe ich ihn nicht wieder erkannt.“ Reue regte sich bei Erkin offenbar nicht; er reagierte sichtlich sauer auf die Trainer-Entscheidung.

Der Bürgermeister des Gastgebers Kayseri, Mehmet Özhaseki, sprach von einem strafrechtlich relevanten Vorfall und riet Öztekin, er solle zum Staatsanwalt gehen, um Erkin wegen Körperverletzung vor Gericht zu bringen. Wenn der Schiedsrichter so etwas nicht ahnde, dann solle er seinen Beruf aufgeben. „Das war kein Foul, das war ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

Brutale Fouls gibt es im türkischen Fußball genauso wie in anderen Ländern. Das Besondere in der Türkei – jedenfalls aus Sicht der Opfer – ist aber, dass die Schiedsrichter bei Vergehen der großen Istanbuler Mannschaften Fenerbahce, Besiktas und Galatasaray auffällig oft eine plötzliche Sehschwäche erleiden. Auch Bürgermeister Özhaseki ist dieser Ansicht. Wenn ein Spieler aus Kayseri dasselbe Foul verübt hätte, „dann wäre der Schiedsrichter über den halben Platz angerannt gekommen und hätte ihm die Rote Karte gezeigt“. So aber geschah nichts. Fenerbahce gewann das Spiel 2-1 – durch ein Tor in der 95. Minute.

Der von Erkin getretene Öztekin gab unterdessen dem Vierten Offiziellen am Spielfeldrand die Hauptschuld: Das Foul sei eine klare Rote Karte gewesen und vom Vierten Mann auch gesehen worden – doch dieser habe den Hauptschiedsrichter nicht informiert.

Und so dürfte es im Fall Erkin ausgehen wie so häufig im türkischen Fußball: Den Großen geschieht wenig bis nichts. Der Fenerbahce-Spieler hat wohl nichts zu befürchten. Nach Zeitungsberichten versteht er ohnehin nicht, was die ganze Aufregung soll. Er habe nur nach dem Ball getreten, sagte er. „Und ich habe ihn ja auch bekommen.“ 

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