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Sport: Oh Käpt’n, mein Käpt’n

Er trägt die Binde und die Verantwortung auf dem Platz. Aber wo enden die Befugnisse des Kapitäns? Oder ist er am Ende gar überflüssig?

Vor drei Wochen hatte Franz Beckenbauer eine revolutionäre Idee. Als der Kapitän des FC Bayern, Mark van Bommel, von seinem Trainer Jürgen Klinsmann auf die Bank rotiert worden war, regte Beckenbauer an, dass man doch auch gleich die Kapitänsrotation einführen sollte. So müsse jeder Spieler mehr Verantwortung übernehmen, und wenn es keinen eindeutigen Kapitän gebe, könne sich dieser so herauskristallisieren. Der Vorschlag hatte eine Halbwertszeit von unter einem Tag, und Klinsmann bekräftigte zumindest verbal seine Entscheidung, van Bommel zum Spielführer ernannt zu haben. Denn es sind in der Regel die Trainer, die bestimmen, wer für die Mannschaft sprechen und sie auf welche Art auch immer führen soll, und jede Demontage eines Kapitäns ist damit auch das Eingeständnis eines eigenen Irrtums – zumindest wenn die Gründe dafür nicht überraschend kommen, so wie jetzt wohl für Joachim Löw in der Auseinandersetzung mit Michael Ballack.

In der Nationalmannschaft werden verdiente und erfahrene Spieler Kapitän, als befähigt für das Amt gilt der mit den meisten Länderspielen. Doch es gibt wichtigere Kriterien. Trainer Frank Pagelsdorf vom Zweitligisten Hansa Rostock hat seinem langjährigen Lieblingsspieler Gledson nach acht Spieltagen jetzt die Binde wieder weggenommen. Er hatte sie ihm vor der Saison gegeben, weil Gledson bei der Wahl des Mannschaftsrats die meisten Stimmen bekommen hatte. Es habe sich aber herausgestellt, dass sie eine zu große Belastung für ihn gewesen sei und der zuletzt schwach spielende Gledson könne sich jetzt wieder auf seine eigentliche Aufgabe als Abwehrchef konzentrieren. Nicht jeder von anderen vorgeschlagene Klassensprecher freut sich eben, wenn er gewählt wird und so gibt es pro Mannschaft meist nur zwei oder drei, die überhaupt als herausgehobene Führungsperson infrage kommen.

In der Bundesliga haben 15 von 18 Trainern den Kapitän bestimmt, nur in Leverkusen (Simon Rolfes), Cottbus (Timo Rost) und Hoffenheim (Selim Teber) hat ihn die Mannschaft gewählt. Die einfachste Definition dessen, was er zu tun hat, findet sich im ABC der Fußball-Jugendstiftung FD21: „Er trägt auf dem Spielfeld die Verantwortung für seine Mannschaft und ist Ansprechpartner für den Schiedsrichter.“ Zu den Gründungsmitgliedern der Stiftung gehören auch Jürgen Klinsmann und Joachim Löw, die bei den Profis damit umgehen müssen, dass ihre Kapitäne mehr Bedeutung und Einfluss haben als bei der Seitenwahl Wimpel zu tauschen, beim Schiedsrichter mit den Händen auf dem Rücken zu reklamieren oder dem Stadionsprecher ausrichten zu lassen, dass die Fans doch bitte keine Gegenstände auf den Rasen werfen sollen.

Zu den Erwartungen an einen Kapitän gehört von der Jugend an auch, dass er ein Vorbild ist. Das kann heißen, das er in der Woche gegenüber den Medien die aktuelle Krise seines Klubs nicht beschönigt und so die Konzentration im Team erhöht oder, ganz profan, dass er durch ein rustikales Foul zum geeigneten Zeitpunkt auf dem Platz ein so genanntes Zeichen setzt. Stefan Effenberg war lange Zeit Kapitän des FC Bayern, und er ist auch Rekordhalter für Gelbe Karten in der Bundesliga. Effenberg war es aber auch, der 2001 nach dem katastrophalen 0:3 in der Champions League bei Olympique Lyon Trainer Ottmar Hitzfeld rausgeschickt und den Kollegen eindringlich klargemacht haben soll, dass „wir in dieser Saison kein Spiel mehr verlieren“. Am Ende gewannen die Münchner die Champions League und wurden in letzter Sekunde auch Meister.

Effenberg war mit seiner kompromisslosen Ausstrahlung und seiner Leistung nach außen immer das, was man sich landläufig unter einem Kapitän vorstellt, dem man alles anrechnen kann, was sich an Fragen ergibt, wenn es um den Erfolg oder Misserfolg einer Gruppe wie einer Fußballmannschaft geht. Vergleiche sind naturgemäß schwierig, da jede Mannschaft (so wie jede Firma) anders ist und jeder Kapitän (so wie jeder Teamleiter) einen anderen Führungsstil hat.

Auch Oliver Bierhoff war einmal Kapitän der Nationalmannschaft. Jetzt ist er ihr Manager und hat sich mit dem aktuellen Kapitän Ballack darüber gestritten, wie sehr der Fußball heute Event sein muss und was auch der Kapitän dafür tun muss. Als der Kapitän Bierhoff damals des öfteren auf die Bank musste, sagte er, dass Amt sei überschätzt. Vielleicht frage ihn der Trainer, ob man heute mit der Mannschaft essen gehen solle. Also kann man den Kapitän abschaffen, Herr Bierhoff? „Na, irgendeiner muss die Binde halt tragen.“ Da hätte er auch die Kapitänsrotation vorschlagen können.

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