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Der Retter ist da. Felix Magath will sich in Wolfsburg bald wieder feiern lassen. Foto: pixathlon

© pixathlon / GPG

Sport: Oh, wie schön ist Wolfsburg

Felix Magath ist zurück an alter Wirkungsstätte – und lobt Stadt und Leute

Wo sind die Socken, die Unterhosen, die Anzüge? Egal, im Kleiderschrank hängt noch eine grüne Krawatte, Felix Magath trägt sie stolz und selbstbewusst. Schön, wieder zu Hause zu sein. Beim grün-weißen VfL Wolfsburg, den Magath vor 22 Monaten zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft geführt hat und jetzt vor dem Absturz in die Zweite Liga bewahren soll. Sein Comeback ist die nächste, die verrückteste Volte in einer an verrückten Geschichten reichen Saison der Fußball-Bundesliga. Nach van Gaal und Rangnick und Veh und Hoffmann und Kraus. Einer, der am Mittwoch mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt wird und am Freitag eine neue Trainerkabine und einen neuen Schreibtisch bezieht.

Nach dem Anruf aus Wolfsburg hat Felix Magath erst mal den Termin mit dem Schalker Aufsichtsrat an seinen Anwalt delegiert. Warum soll er sich selbst um Sachen kümmern, für die er einen anderen bezahlt? „Für mich ist die Angelegenheit mit Schalke 04 erledigt“, sagt Magath, der wohl selbst ein wenig überrascht davon ist, wie schnell er nach dem skurrilen Abschied aus Gelsenkirchen wieder Fußball lehren darf.

„Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen“, referiert Francisco Garcia Sanz. „Die Situation ist dramatisch“, und im Gespräch mit dem vormaligen Manager Dieter Hoeneß seien leider „unterschiedliche Beurteilungen der Lage und der einzuleitenden Maßnahmen“ zu Tage getreten. Garcia Sanz steht dem Wolfsburger Aufsichtsrat vor und verantwortet im Vorstand des Geldgebers VW das Ressort „Beschaffung“. Jetzt hat er dem Klub in Rekordzeit einen neuen Trainer und Geschäftsführer beschafft und sagt dazu, dass es „solche Geschichten nur im Fußball gibt. Wenn Sie mir vor ein paar Wochen gesagt hätten, wir holen Felix Magath zurück, hätte ich Sie für verrückt erklärt.“

Nach 26 von 34 Spieltagen steht der mit Millionenaufwand aus dem Automobilbau alimentierte Klub auf dem vorletzten Tabellenplatz, zwei Punkte hinter Platz 16, der immerhin zwei Relegationsspiele gegen den Zweitligadritten ermöglicht. Am Sonntag kommt es zum ersten von acht Endspielen. Beim VfB Stuttgart, einem früheren Arbeitgeber von Magath – davon gibt es bekanntlich einige in der Bundesliga, insgesamt sechs. Die Stuttgarter hat er vor zehn Jahren vor dem Abstieg bewahrt, als er den Job zu einem ähnlich späten Zeitpunkt antrat. „Falls es Sie interessiert – mein Vorgänger damals war Ralf Rangnick“, und das ist in der Tat eine nette Pointe, schließlich soll unter dem Trainer Rangnick jetzt auf Schalke alles besser werden, als es unter Magath war.

Anders als der noch von Hoeneß kurzfristig akquirierte Kotrainer Eyjölfur Sverrisson ist der entmachtete Übergangscheftrainer Pierre Littbarski seinen Job nicht sofort losgeworden. Alles ein bisschen dumm gelaufen für ihn, dass er pünktlich zum Dienstantritt des neuen starken Mannes dem „Kicker“ ein Interview gegeben und darin den schlechten Tabellenstand als langfristige Folge von Magaths Arbeit in Wolfsburg bezeichnet hat. Gleich nach dem Machtwechsel haben die beiden ein Gespräch geführt, in dem es natürlich auch um Littbarskis Fehleranalyse ging. „Ich bis es gewohnt, mit Kritik umzugehen“, sagt Magath und dass Littbarski selbstverständlich ein Recht auf seine eigene Meinung habe, „er sagt, was er denkt und gelernt hat“. Aber: „Alle meine Mannschaften haben sich in den vergangenen vier Jahren für den Europapokal qualifiziert, so schlecht kann meine Arbeit nicht gewesen sein.“

Gut 1500 Schaulustige kommen zu Magaths erstem Training, obwohl sich Wolfsburg von seiner nassen und kalten und grauen Seite zeigt, ganz nach der landläufigen Meinung, die natürlich ein Vorurteil ist. Sagt Felix Magath. Er spricht von Wolfsburg, als wolle er nach dem Auslaufen seines vorerst bis 2013 befristeten Vertrags die Leitung des örtlichen Touristenvereins übernehmen. Seine Frau und Kinder seien beim Abschied aus Wolfsburg gar nicht begeistert gewesen, „die sagen heute noch: Oh, wie schön war es doch in Wolfsburg!“

Diese Zuneigung teilt nicht jeder, auch nicht aus der gut bezahlten Mannschaft. Nationalspieler Arne Friedrich etwa hat auch nach seinem Wechsel von Hertha BSC zum VfL den Berliner Wohnsitz behalten und fährt jeden Tag mit dem ICE zum Training. Magath aber hat es sich bei seinem ersten Aufenthalt so gemütlich eingerichtet, dass er gern zurückkommt. Die Meisterschaft war das eine Denkmal, das er sich gesetzt hat. Das zweite Denkmal steht hinter dem windigen Trainingsplatz, es ist der Mount Magath, ein aufgeschütteter Erdwall, auf dem die Wolfsburger damals fit gemacht wurden für die Meisterschaft. Zuletzt haben nur noch ein paar Rentner davor gestanden und den Profis zugeschaut, wie sie sich in der Ebene in Form brachten für neue Herausforderungen gegen neue Gegner aus Paderborn, Aue oder Köpenick. Jetzt ist Felix Magath wieder da, und die Rentner werden wohl weichen müssen, wenn auch nicht an diesem Freitag, weil Magath erstmal die Mannschaft kennen lernen will.

Einer, den Magath schon kennt, ist der Stürmer Grafite, Magath nennt ihn „Grafitschi“. Der Brasilianer hat gleich nach der Meldung über den Trainerwechsel via Facebook verlauten lassen, er werde in den nächsten vier Spielen acht Tore schießen. Schöne Sache, sagt Magath, „aber ich erwartete vom Grafitschi natürlich, dass er neun Tore schießt“.

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