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Das Tennisturnier in Hamburg zeigt sich in neuem Gewand. Nur der Sieger ändert sich nicht: Nikoloz Basilashvili.

© Fabian Bimmer/Reuters

Ohne Michael Stich läuft es: Liebesheirat statt Zwangsehe am Hamburger Rothenbaum

Seit das Tennisturnier in Hamburg einen neuen Organisator hat, geht plötzlich viel. Michael Stich hatte dem Rothenbaum zuletzt nicht mehr geholfen.

Michael Stich konnte wohl einfach nicht aus seiner Haut. Als am vergangenen Dienstagabend im Innenhof eines angesagten Hamburger Hotels die offizielle Players Night des Rothenbaum-Turniers stattfand, war Stich nicht eingeladen – doch er saß in einem dazugehörigen Restaurant. Etwa 4000 Lokale gibt es in der Elbmetropole, ausgerechnet in diesem saß und aß er an diesem speziellen Abend.

„Rein privat“ sei er hier, ließ Stich verlauten, doch es gab ihm die beleidigte Attitüde eines schlechten Verlierers. Nach zehn Jahren als Turnierorganisator (2009 bis 2018) hatte man dem 50 Jahre alten Wimbledonsieger im vergangenen Jahr die Lizenz entzogen. Und was wohl besonders bitter für den ehrgeizigen Stich ist – seit er weg ist, funktioniert beim Hamburger Traditionsevent auf einmal vieles.

„Wir konnten einiges auf den Weg bringen, was vorher nicht möglich war“, betonte Ulrich Klaus, der Präsident des Deutschen Tennisbundes (DTB), am Sonntag im Rahmen der Abschluss-Pressekonferenz. In den Stich-Jahren war der DTB dabei nie vertreten oder erwünscht gewesen, nun betonte die neue Turnierdirektorin Sandra Reichel: „Der DTB ist Eigentümer, wir sind die Veranstalter – und wir gehören zusammen.“ Klaus erwiderte: „Es war keine Zwangsehe, sondern eine Liebesheirat.“

Ganz neue Töne, seit das österreichische Vater-Tochter-Duo Peter-Michael und Sandra Reichel die Organisation übernommen hat. Auf einmal war der jahrelange Streit um die Instandsetzung des maroden Faltdachs kein Problem mehr. Zehn Millionen Euro wurden bereits zum Teil und werden bis zum nächsten Jahr weiter in die Anlage am Rothenbaum investiert, auf der seit 1892 das internationale Tennisturnier ausgetragen wird. Acht Millionen Euro steuerte der Hamburger Sportmäzen Alexander Otto bei, jeweils eine Million der DTB und die Stadt.

Stich hatte mehr Gegner als Verbündete im DTB

Stich hatte mit seiner sehr eigenen und mitunter beratungsresistenten Art mehr Gegner als Verbündete im DTB, in der Hamburger Politik ebenso. Er übernahm das Turnier verschuldet vom damaligen Chairman Boris Becker und rettete es vor dem Aus. Das bleibt sein Verdienst. Doch Stich hatte über die Jahre auch kaum etwas investiert und vor allem von den Ausgleichszahlungen der ATP für ein schlechteres Spielerfeld profitiert.

Die Reichels haben nun Geld in die Hand genommen und nicht nur den Etat von vier auf 5,5 Millionen Euro erhöht. Für ein 500er-Turnier liegt Hamburg damit bei einem Durchschnittsetat von neun Millionen Euro nun im unteren Mittelfeld der Tennis-Events der dritthöchsten Kategorie. Die Ticketverkäufe bringen etwa eine Million Euro ein, 1,7 Millionen Euro bekommt Hamburg aus dem TV- und Marketingpool der ATP, doch die decken kaum das Preisgeld von 1,86 Millionen Euro ab.

Es war einmal. Seit Michael Stich nicht mehr Turnierdirektor am Rothenbaum ist, läuft es.
Es war einmal. Seit Michael Stich nicht mehr Turnierdirektor am Rothenbaum ist, läuft es.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Die Reichels nehmen in diesem Jahr ein hohes sechsstelliges Defizit in Kauf, das die Investitionen in die Zukunft eben mit sich bringt. Sie müssen Antrittsprämien, Kost und Logis für die Spieler samt Anhang zahlen, hinzu kommt Miete für die Anlagen-Eigentümer, den Club an der Alster, und die Lizenzgebühr für den DTB. Für das Spieler-Catering engagierte man den Fernsehkoch Tim Mälzer und sorgte über eine Agentur dafür, dass bekannte Gesichter aus Film, Fernsehen und Sport am Centre Court zu sehen waren. Mit Erfolg. Die 60.000 Zuschauer, die Sponsoren, der DTB und die Veranstalter selbst waren allesamt voll des Lobes über den Neustart.

Doch dieses Jahr hatte man Glück, dass Alexander Zverev früh in Wimbledon ausschied und in seiner Heimatstadt erst im Halbfinale knapp am Georgier Nikolos Bassilaschwili scheiterte, der am Sonntag im Endspiel auch den Russen Andrej Rubljow mit 7:5, 4:6, 6:3 schlug. Im nächsten Jahr rückt der Hamburger Termin aber durch die Olympischen Spiele direkt an Wimbledon heran, das wird viele Namen abhalten. Zverev auch. Die Diskussion um einen Termin- oder Belagwechsel von Sand auf Hartplatz ist nun wieder entbrannt. Doch Sandra Reichel wiegelte ab: „Wir hatten eine tolle Woche. Vielleicht bleibt auch alles so – warum nicht?“

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