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Oliver Kahn

© ddp

Oliver Kahn: Abschied halten

Bayerns Torwart Oliver Kahn hat in Rostock angefangen, sich auf die letzte Runde durch die Stadien der Bundesliga zu machen. An der Ostsee gab es einen kleinen Vorgeschmack, was den 38-Jährigen in den nächsten Wochen und Monaten erwartet.

Oliver Kahn schritt diagonal über den Rostocker Fußballplatz in jene Ecke, in der sich einige hundert Münchner Fans versammelt und ihre Mannschaft jubelnd in die Nacht verabschiedet hatten. Da Kahn den weitesten Weg von allen und auf diesem auch noch ein paar persönliche Grußworte von dem einen oder anderen Rostocker Spieler entgegenzunehmen hatte, war er etwas spät dran. Aber was heißt schon spät dran für einen, der eine gefühlte Ewigkeit das Tor des FC Bayern hütet. Als der 38 Jahre alte Torwart auf Höhe der Eckfahne zum Stehen kam, schwoll der Chor der Bayernfans noch einmal an. Da stand er nun, so allein wie nur ein Torwart auf einem Fußballplatz allein stehen kann, und hob seine Fängerhände zum Klatschen über seinen Kopf. Die Masse applaudierte zurück, sie schrie, sie johlte, sie jubilierte. Oliver Kahn verneigte sich dreimal vor den Fans, dann winkte er noch einmal ins Rund, weil auch Nichtmünchner ihre Hände rührten.

In Rostock hat Oliver Kahn begonnen, sich von der Bundesligabühne zu verabschieden. Die paar persönlichen Minuten in Rostock am späten Freitagabend waren nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was sich in den kommenden vier Monaten abspielen wird.

Den Rahmen bildete ein mühevoller, weil erdiger 2:1-Erfolg der Münchner in Rostock zum Auftakt in die Bundesligarückrunde. Und so sprach Oliver Kahn hinterher vom „böigen Wind“ und einem „schlechten Platz“, aber auch ein bisschen vom Großen und Ganzen. Letztlich aber sei er zufrieden, weil dieses wichtige, erste Spiel gewonnen wurde. „Wir bleiben Tabellenführer und werden als solcher die Bremer in einer Woche empfangen“. Dann presste er vergnüglich seine Lippen aufeinander. Melancholische Gedanken kommen Oliver Kahn auf seiner letzten Runde durch die Stadien der Republik nicht. „Es bleibt ja keine Zeit mehr zu sagen, wenn es diese Saison nicht klappt, dann in der nächsten.“ Für ihn wird es keine nächste Fußballsaison mehr geben. Dann zwinkert er und lächelt breit. „Vom Körpergefühl könnte ich noch vier bis fünf Jahre spielen, aber das lassen wir lieber.“ Dann lachte er laut.

Neulich, im Wintertrainingslager des FC Bayern in Marbella, dem „ungefähr fünfzigsten meiner Karriere“, hat Kahn erzählt, dass er ja nicht auf die Welt gekommen sei, „um mein ganzes Leben Torwart zu sein“. Aber bisher war es sein Leben. Ein Leben, das prall war und schön und Nerven kostete. Das alles steht in seinem Gesicht geschrieben. Und so wird er bis in den Mai hinein getrieben sein vom ewigen Eifer, vom Weiter, Weiter, immer weiter, dass sich so unverwechselbar durch seine Karriere zog. Bis zu deren Ende möchte er alles irgendwie genießen, was man sich bei einem wie ihm, dem manischen Berufstorwart, so schwer vorstellen kann. Viel wird davon abhängen, wie sich seine Vorderleute anstellen in den verbleibenden Spielen. „Wir wollen so viel Titel wie möglich holen“, sagte der angehende Fußballpensionär. Der FC Bayern wolle unter seinem ebenfalls scheidenden Trainer Ottmar Hitzfeld einen attraktiven, nach vorn gerichteten Fußball spielen. Seine Zustimmung habe das Unterfangen, sagte Kahn, nur möge die Mannschaft dabei die Defensive nicht außer Acht lassen. Die Bude vollhauen lassen wolle er sich auf den letzten Metern seiner Karriere nicht mehr.

In Rostock hatte sich ein Spiel nach seinem Geschmack angedeutet. In der ersten Halbzeit musste Oliver Kahn nur einmal einen Ball aus der Luft pflücken, zu harmlos spielten die Gastgeber. Das änderte sich in der zweiten Halbzeit, als Kahn einmal machtlos blieb und Rostock auf 1:2 verkürzt hatte. Es folgten 35 für ihn unruhige Minuten. Seine Vorderleute schossen nicht einmal auf das gegnerische Tor. Als die Bayern das Spiel in den letzten zehn Minuten wieder in den Griff bekamen, pustete Kahn ein paar mal erleichtert aus. „Wir haben füreinander gefightet“, sagte er. Dabei machte er ein Gesicht, das erahnen ließ, was im gegenteiligen Fall passieren könnte. So oder so: Oliver Kahn wird ab jetzt alles noch persönlicher nehmen als sonst.

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