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Sport: Oliver Kahn

Wie der Münchner das Spiel in Bremen erlebte

Die erste Niederlage kassiert Oliver Kahn um 15.29 Uhr. Er verliert die Platzwahl. Normalerweise ist das ziemlich belanglos, aber diesmal bedeutet es, dass Kahn einer 50 Meter breiten grünweißen Menschenfront entgegenlaufen muss, die noch eine Spur feindlicher ist als sonst. Wer so etwas wie leises Mitgefühl der Bremer Fans erwartet hatte, wurde schon beim Warmmachen enttäuscht. Vergnügt hatten die Werder-Anhänger „Ohne Olli fahr’n wir zur WM“ krakeelt, was sie nun, kurz vor dem Anpfiff, erneut singen – diesmal im Kanon. Kahn läuft also zu seinem Tor, erst einen Meter hinter der Linie dreht er um, das ist sein Ritual, Torhüter machen so etwas, um sich Sicherheit einzubilden, und offenbar hat Kahn dafür heute ein gesteigertes Bedürfnis.

Seinen ersten Ballkontakt hat Kahn nach zweieinhalb Minuten, Sagnol spielt zurück, und noch bevor der Torwart den Ball zur Seite drischt, dröhnen die Pfiffe in Presslufthammer-Lautstärke. So ist das nun jedesmal. Kurz danach muss Kahn einen Abstoß ausführen, und so, als bestimmte eine unsichtbare Kraft das Drehbuch des Geschehens, rutscht Kahn aus, die Werder-Fans japsen vor Freude und schreien „Jä-äns Leeeehmann“.

Seine beste Szene leitet Kahn selbst ein: Ein Abstoß gerät ihm zu kurz, Owomoyela köpft den Ball auf Klose, und der legt zu Valdez in der Mitte ab. Kahn macht einige schnelle Schritte nach vorn, steht am Fünfmeterraum, und als Valdez flach in die Ecke schießt, schnellt Kahns Arm heraus: Er wehrt ab, der Ball fliegt in die Höhe, Kahn steigt hoch, Valdez bedrängt ihn. Noch während er landet, umklammert er Valdez und zieht ihn wie ein Judoka mit zu Boden. Beide rappeln sich auf, rempeln sich an, und selbst seine Mitspieler stößt Kahn zur Seite. Diese 14. Minute ist der frühe Höhepunkt für Kahn. Bis zur Pause muss er nur noch einige Rückpässe verarbeiten, bei Schweinsteigers wuchtigem Kopfball zum 0:1 ist er chancenlos.

Seinen ersten Ballkontakt nach der Pause hat er nach 64 Minuten, die Bayern drücken, Kahn ist beschäftigungslos und schleicht am Strafraum umher. Der einzige gefährliche Schuss kommt von Borowski, Kahn hält sicher. Danach rollen Bremer Konter auf ihn zu, zweimal ist Kahn ohne Chance. Als der Schiedsrichter kurz danach abpfeift, hebt Kahn sein Handtuch auf, klatscht den Münchner Fans zu, dann macht er sich auf den Weg. Knapp hundert Meter liegen vor ihm, einige Bremer reichen ihm die Hand. Borowski sagt etwas, Kahn schaut ihn nicht an. Er geht weiter, immer weiter, so wie er das meistens gemacht hat. Und verschwindet wortlos im Tunnel.

Daniel Pontzen

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