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Olympia 2012: Wahl-Finale unter Hochspannung

Paris geht als Favorit in das Rennen um die Vergabe der Olympischen Spiele 2012. Doch die anderen Bewerber liegen in Lauerstellung.

Singapur (05.07.2005, 13:40 Uhr) - Eine solch Aufsehen erregende Wahl hat es in der 111-jährigen Geschichte des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) noch nicht gegeben. Gegen 13.45 Uhr MESZ wird IOC-Präsident Jacques Rogge am Mittwoch im Ballsaal des Convention Centers von Singapur weltweit einem Milliarden-Publikum vor den Fernsehschirmen verkünden, welche Stadt 2012 die XXX. Olympischen Spiele ausrichten darf. In das Fünfkampf-Finale der Weltmetropolen zieht Paris als Favorit ein. Doch London, Madrid und New York rechnen sich gleichfalls gute Chancen aus. Moskau ist krasser Außenseiter und machte dafür am Dienstag westliche Medien verantwortlich.

«Nie zuvor hat es einen Wettbewerb mit solchen Qualitätsstädten gegeben. Alle können hervorragende Spiele ausrichten. Es wird ein ganz knapper Wettbewerb. Der Sieger wird auf jeden Fall das IOC sein.» Mit dieser Einschätzung geht Rogge in die entscheidende Vollversammlung, bei der in der ersten Abstimmungsrunde voraussichtlich 99 IOC-Mitglieder votieren werden. Wahrscheinlich sind vier Wahlgänge, nur im letzten Durchgang reicht die einfache Mehrheit zum Sieg. Auf der Strecke bleiben jeweils die Städte mit den wenigsten Voten.

Eine herausragende Bedeutung erhält die Wahl auch durch die in Singapur eingeflogene politische Prominenz. Bei der jeweils 45-minütigen Präsentation der Städte am Mittwoch vor der Wahl werden Staatspräsident Jacques Chirac, die Ministerpräsidenten Jose Luis Rodriguez Zapatero und Michael Fradkow sowie New Yorks Senatorin Hillary Clinton für ihre Städte werben. Der bereits am Sonntag eingetroffene Tony Blair war dann schon auf dem Rückflug. Als Gastgeber des G8-Gipfels muss der britische Premier am Mittwoch rechtzeitig in Gleneagles sein.

Die Prominenz des Hochadels wird von Spaniens Königin Sofia angeführt, aus Hunderten von Sportstars ragt die von Krankheit gezeichnete Box-Legende Muhammad Ali heraus. Er soll bei New Yorks Vorstellung «als Geheimwaffe», so Bewerbungs-Chef Dan Doctoroff, für den emotionalen Höhepunkt sorgen. Bei einem Fototermin am Dienstag war «der Größte» jedoch kaum sprechfähig.

«Mehr denn je kommt es auf die letzten Tage an, besonders auf die Präsentation», meint nicht nur das deutsche Mitglied Thomas Bach. So viele IOC-Mitglieder wie nie seien noch nicht festgelegt. Bei der großen Qualität aller Bewerber könnten Fehler oder ein besonders eindrucksvoller Auftritt noch für Bewegungen sorgen. Fest steht nur, dass am Mittwoch keine Stimmung, sondern nur noch Stimmen zählen werden.

Paris glaubt sich einer Mehrheit sicher, «auch wenn die Briten in den letzten Tagen den Eindruck erweckten, als seien sie ganz nahe dran an uns», wie ein Mitglied des französischen Bewerbungskomitees erklärte. Paris hat zuletzt 1924 Olympische Spiele ausgerichtet, London 1948, Spanien mit Barcelona 1992, die USA mit Atlanta 1996. Moskau war 1980 an der Reihe. Für die Franzosen ist es undenkbar, dass sie zum dritten Mal nach 1992 und 2008 abgewiesen werden. Und dies, nachdem ihnen die IOC-Prüfer die Bestnote für die technischen Voraussetzungen gegeben haben. Das geschah so eindeutig, dass nicht nur die Konkurrenz die Handschrift von Rogge zu erkennen glaubt.

Als unkalkulierbaren Rivalen sieht Paris Madrid an. Für Spaniens Hauptstadt hat Juan Antonio Samaranch (84) noch einmal mobil gemacht. Der Präsident bis 2001 und jetzige Ehrenpräsident hat zwar im Vergleich zu 1985 deutlich an Anhang eingebüßt, als ihm das Husarenstück eines K.o.-Sieges gegen Paris und für seine Heimatstadt Barcelona gleich im ersten Wahlgang gelang. Doch diesmal hat er in König Juan Carlos einen starken Koalitionär. Seine Majestät hat brieflich bei allen IOC-Mitgliedern geworben, und nicht nur deshalb meint der finnische Olympier Peter Tallberg: «Das spanische Königshaus hat großen Einfluss auf das IOC.»

Für Moskaus Außenseiterrolle hat sein Bürgermeister Juri Luschkow westliche Medien verantwortlich gemacht. «Es ist traurig, dass sie den besten Kandidaten zum schlechtesten herunterschreiben», sagte Luschkow am Dienstag auf der russischen Abschlusspressekonferenz. Bei New York gilt als große Unbekannte, welchen Einfluss die zahlreichen TOP-Sponsoren des IOC aus den USA genommen haben. Doch ansonsten stehen die Chancen im nicht amerika-freundlich gestimmten IOC schlecht. Die Tatsache, das Big Apple ein Olympiastadion erst mit Verspätung garantieren konnte, wird allgemein als Blamage gewertet. Hillary Clinton will sich dadurch nicht entmutigen lassen, gleich nach ihrer Ankunft pries sie New York als «ein einziges Olympisches Dorf».

Bürgermeister und Milliardär Michael Bloomberg erklärte die Abwesenheit von Präsident Gorg W. Bush, der wie sein russischer Kollege Wladimir Putin per Video zu den IOC-Mitgliedern sprechen wird, so: «Bei seinem Kommen hätte allein die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen viel vom Fokus der Spiele genommen.» Auch so tragen sie zur Außerordentlichkeit der Olympia-Wahl von Singapur bei. Das Convention Center wird von einem Heer aus Kräften des Militärs, der Polizei und der Geheimdienste, teilweise mit Maschinengewehren bewaffnet, bewacht. (Von Günter Deister, dpa)

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