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Olympia 2014 in Sotschi: Das russische Prestigeprojekt

In einem Jahr beginnen die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Doch das Prestigeprojekt des russischen Präsidenten Wladimir Putin steht nicht nur wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.

Einen Rekord haben die Olympischen Winterspiele von Sotschi schon ein Jahr vor ihrem Beginn sicher: Es werden die teuersten Spiele aller Zeiten. Sogar die ehrgeizigen Sommerspiele von Peking 2008, die 40 Milliarden Dollar gekostet haben, werden sie locker übertreffen. Wie der für die Koordination zuständige Vizepremier Dmitri Kosak in diesen Tagen erklärte, werden die ursprünglich auf 19 Milliarden Dollar veranschlagten Kosten für Wettkampfstätten und Infrastruktur nach aktuellem Stand 51,08 Milliarden betragen. Tendenz steigend.

Die Hälfte davon wird allerdings von privaten Investoren aufgebracht. Russlands Reiche hatten sich beim Abstecken der Claims und bei der Vergabe der Bauaufträge einen erbitterten Kampf geliefert. Jetzt überschlagen Experten im Finanzministerium bereits mögliche Einnahmen. So wird im Sommer 2014 auch der G-8-Gipfel in Sotschi stattfinden. Kritische Beobachter raten jedoch zu mehr Bescheidenheit, mit den Olympischen Spielen ist es zuletzt kaum einem Veranstalter gelungen, Geld zu verdienen.

Immer noch steht nicht fest, ob Russland sich zu den Spielen aus der „ewigen Sommerzeit“ verabschiedet, die im Winter für einen dreistündigen Zeitunterschied zu Mitteleuropa sorgt. Der wiederum würde sich extrem negativ auf die Einschaltquoten bei Live-Übertragungen der Wettkämpfe auswirken – und die Preise für Werbung drücken.

Auch die kalkulierten Zuschauerzahlen könnten sich als zu optimistisch erweisen. Zwar will Russland während der Spiele die Einreiseformalitäten drastisch vereinfachen, vielleicht sogar den Visumszwang außer Kraft setzen. Auch hat die staatliche Regulierungsbehörde den gierigen Hotelbesitzern für das erste Halbjahr 2014 sozialverträgliche Preisgrenzen diktiert. Derzeit kostet eine Nacht in einem Einzelzimmer eines Vier-Sterne-Hotels mindestens 17 000 Rubel (425 Euro). Und wenn sich herumspricht, dass die Grenze zu Georgiens abtrünniger Region Abchasien in unmittelbarer Nähe des Eisstadions verläuft, könnten sich manche Olympiafans dazu entschließen, die Spiele doch lieber auf der Couch im sicheren Wohnzimmer verfolgen.

Georgien will die Spiele boykottieren und müht sich auch sonst, dem Kriegsgegner von 2008 den Spaß an den Spielen zu vermiesen. Denn diese sind Wladimir Putins ganz persönliches Prestigeobjekt, mit dem der russische Präsident innen- wie außenpolitisch punkten will.

Sotschi galt bisher als Biotop sowjetischer Service-Mentalität

Als ehemaliger KGB-Offizier auch in Psychologie geschult, weiß er nur zu gut, dass die Schmach von 1980 noch immer am nationalen Selbstbewusstsein der Russen nagt. Wegen des sowjetischen Überfalls auf Afghanistan hatten westliche Staaten die Olympischen Sommerspiele in Moskau boykottiert. Putin hatte daher um den Zuschlag der Winterspiele 2014 intensiv gekämpft. Und überraschend gegen den Wintersportort Salzburg und Pyeongchang, Südkorea, gewonnen.

Sotschi galt bisher als Biotop sowjetischer Service-Mentalität mit vermüllten Stränden und der Infrastruktur einer Bananenrepublik. Doch die Umwandlung in einen Olympia-Gastgeber scheint zu gelingen. Nach Anlaufschwierigkeiten wurden die meisten Objekte termingerecht fertig. Und bestanden bei Wettkämpfen den Praxistest. Beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wirkten die Verantwortlichen erleichtert, sie hatten ein ähnliches Chaos wie vor Athen 2004 befürchtet. Dafür sind nun die Herren Funktionäre selber in die Kritik gerückt.

Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte das IOC schon letzte Woche, als sie in Moskau ihnen Jahresbericht vorstellte, öffentlich kritisiert: Die Sportbürokraten wären blind und taub für die gravierenden Menschenrechtsverletzungen in der südrussischen Region Krasnodar, zu der auch Sotschi gehört. Gemeint war vor allem die Situation der ethnischen Minderheiten: Armenier, Turken und Tscherkessen. Auch fiel Gouverneur Alexander Tkatschow, der nicht nur mit regulärer Polizei, sondern auch mit umstrittenen paramilitärischen Kosaken-Milizen in seinem Beritt für Ordnung sorgt, mehrfach durch fremdenfeindliche Sprüche unangenehm auf.

Am Mittwoch legte HRW noch mal nach: Wettkampfstätten und Infrastruktur der Spiele würden von miserabel entlohnten, in überfüllten Baracken zusammengepferchten Gastarbeitern errichtet. Mehr als 16 000 Ukrainer, Serben, Armenier, Usbeken, Kirgisen und Tadschiken schuften seit 2009 für Hungerlöhne zwölf Stunden täglich, heißt es in einem Bericht, den HRW in Lausanne dem IOC überreichte. Die Menschenrechtsorganisation empfiehlt dem IOC, bei den Feierlichkeiten am Donnerstag, ein Jahr vor den Spielen in Sotschi, in Putins Anwesenheit von Russland „Achtung von Menschenrechten und Menschenwürde“ zu fordern.

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