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Buhlen um Jasager: München wirbt um Stimmen für eine Olympia-Bewerbung 2022.

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Olympia 2022: Bayern entscheidet über Münchens Bewerbung

Mit Winterspielen in bestehenden Sportanlagen wollen die Organisatoren erst die Bürger in Bayern und dann das IOC für sich gewinnen.

Bestimmt ist es nur ein Zufall, dass die drei Männer in der Bibliothek des Münchner Literaturhauses in der Nähe des Buchstabens W stehen. Möglicherweise sind sie sogar den Buchstaben V oder U näher, doch das lässt sich aufgrund einer bunten Kampagnentafel vor der Bücherwand nicht erkennen. Der Buchstabe „W“ passt an diesem Vormittag auch viel besser zum Anliegen der drei Männer: W wie Werbung, W wie Winterspiele.

München unternimmt einen zweiten Anlauf, Olympische Winterspiele auszurichten. Doch ob die bayerische Landeshauptstadt überhaupt in das Rennen um die Spiele 2022 einsteigen kann, darüber entscheiden am Sonntag viermal die Bürger. Überall dort, wo Wettbewerbe stattfinden sollen, können die Bürger auf die Frage nach einer Bewerbung um Olympische und Paralympische Winterspiele 2022 mit Ja oder Nein antworten: In der Stadt München, in der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen und den Landkreisen Traunstein und Berchtesgaden sind insgesamt rund 1,3 Millionen Bürger stimmberechtigt. „Wir wollen nur antreten, wenn die Bürger dieses Fest wollen“, sagt Michael Vesper, der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), „deswegen ist es so wichtig, dass sie in allen vier Regionen zustimmen.“

Er ist in die Bibliothek gekommen, um die Werbebotschaft des Tages zu verkünden: Auch die Kultur steht hinter der Bewerbung. Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates, leicht an seiner roten Fliege zu erkennen, sagt: „Es wäre eine Chance für Deutschland, seine Vielfalt und Weltoffenheit nach außen zu zeigen.“ Und Ludwig Spaenle, Bayerns Kultusminister, erinnert an das Erbe der Münchner Sommerspiele von 1972: U-Bahn, Piktogramme und natürlich das Olympiagelände, das 50 Jahre später wieder im Zentrum der Spiele stehen soll.

München trainiert für Olympia. Beim Parallelslalom hat sich der Olympiapark regelmäßig winterfest gezeigt. Foto: p-a/dpa
München trainiert für Olympia. Beim Parallelslalom hat sich der Olympiapark regelmäßig winterfest gezeigt. Foto: p-a/dpa

© picture alliance / dpa

Doch dass sich nicht alle für eine Rückkehr der Spiele begeistern können, wird vor dem Literaturhaus deutlich. Dort wirbt ein Plakat der Grünen für eine Veranstaltung der Olympiagegner im Hofbräuhaus: „Das IOC kassiert, München zahlt's.“ Viola von Cramon schätzt das genauso ein. „Ich sehe nicht, dass Olympia eine effiziente Art und Weise ist, Steuergelder auszugeben“, sagt die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, „jegliches finanzielle Risiko liegt bei den Landkreisen, den Ländern und dem Bund, wenn ich dann noch die Steuerfreiheit für diesen Milliardenverein aus der Schweiz sehe, dann ist das nicht mehr zeitgemäß.“

Sie glaubt nicht, dass sich die Kosten auf die von den Organisatoren veranschlagten 3,3 Milliarden Euro beschränken. „Wir sind dabei, den Berliner Flughafen zu versenken, wir bekommen Stuttgart 21 nicht hin und wollen ausgerechnet bei den Olympischen Spielen im Rahmen bleiben?“ Immerhin, zu einem kleinen, versteckten Lob für die neue Bewerbung kann sie sich doch hinreißen. „Es ist vernünftig, dass man das Gut Schwaiganger gerettet hat“, sagt sie.

Tatsächlich haben der DOSB und die Stadt München, die hinter der Bewerbung stehen, einiges gelernt aus der ersten Bewerbung, als die Winterspiele 2018 deutlich an den südkoreanischen Mitbewerber Pyeongchang gingen. „Wir haben Wettbewerbe in bestehende Anlagen gelegt, das hat unsere Bewerbung noch nachhaltiger gemacht“, sagt Vesper. Statt in Schwaiganger bei Garmisch-Partenkirchen werden die Langlauf- und Biathlon-Wettbewerbe nun auf der WM-Biathlon-Anlage in Ruhpolding ausgetragen, ein Medienzentrum entsteht im Inzeller Eislaufstadion. „Wir haben 85 Prozent in bestehende Anlagen verlagert, das ist Weltrekord, nur ein Prozent muss neu gebaut werden“, schwärmt der DOSB-Generaldirektor. Der Deutsche Alpenverein teilt seine Begeisterung nicht und hat sich wegen der Eingriffe in die Natur am Samstag noch zu den Olympiagegnern gesellt.

Oslo, Peking, Almaty, Krakau und Lemberg wollen die Winterspiele auch

Mit dem neuen Konzept verlieren die Münchner Spiele an Kompaktheit, worauf vor zwei Jahren noch so viel Wert gelegt worden war. „Das war der spezifischen Konkurrenzsituation mit Pyeongchang geschuldet“, sagt Vesper, „jetzt glauben wir, dass wir mit den bestehenden Anlagen punkten können, auch wenn die Wege etwas größer sind.“

Um Diskussionen während der Bewerbungsphase klein zu halten, haben die Organisatoren den Bürgerentscheid diesmal an den Anfang gesetzt. Auch haben sie von Transparency International einen Ethikcode ausarbeiten lassen. Trotzdem geht es nach dem Geschmack der Olympiagegner in München gegenwärtig nicht sportlich fair zu. In den Wahlunterlagen für die Bürger fand sich lediglich die Broschüre der Befürworter, durch die S-Bahnen schallen Ansagen, mit Ja zu stimmen. „Jetzt nutzt der staatseigene Betrieb Deutsche Bahn seine Herrschaft über Lautsprecheranlagen an Bahnhöfen und in den S-Bahnen und die Werbeflächen für einseitige Wahlwerbung aus“, beschwert sich das Bündnis NOlympia. „Wir haben da ein anderes Verständnis von Fairness.“ Auch in der Basketballhalle und im Stadion des FC Bayern liefen Videos der Befürworter.

Arno Hartung aber darf sich nicht äußern. Der Sprecher der Münchner Olympiapark GmbH sitzt in seinem Büro neben der Olympiahalle, aus der die Tonproben der Band „30 Seconds to Mars“ hinüberschallen. Zu seinen Füßen liegt ein überdimensionierter Waldi, das Maskottchen der Spiele von 1972. Als Angestellter eines Tochterunternehmens der Stadt darf er im Bürgerentscheid nicht öffentlich Partei ergreifen, doch man kann sich denken, wie er am Sonntag abstimmen wird.

Auf 460 Millionen Euro ist der Sanierungsbedarf im Olympiapark bis zum Jahr 2032 berechnet worden. „Das Teuerste ist die Sanierung der Betriebstechnik, die ist 41 Jahre alt“, sagt Hartung. Für seinen Olympiapark, der nach dem Auszug des Fußballs jährlich von der Stadt München mit bis zu 40 Millionen Euro bezuschusst wird, wäre eine erfolgreiche Olympiabewerbung ein Jungbrunnen. „Die Diskussionen, was wann saniert wird und ob überhaupt, würden mit einem Schlag wegfallen“, sagt er. Wie 1972 würde 50 Jahre später das Herz der Spiele erneut im Olympiapark schlagen: Mit der Eröffnungs- und Schlussfeier im Olympiastadion, Eiskunstlaufen in der Olympiahalle, Curling in der Olympiaschwimmhalle, Ski-Freestyle auf dem Olympiaberg, Männer-Eishockey in einer von einem österreichischen Getränkekonzern noch zu bauenden Halle, Frauen-Eishockey und dem Eisschnelllaufen in jeweils temporären Arenen.

Sollten die Bürgerentscheide viermal mehrheitlich mit Ja beschieden werden, muss der DOSB bis zum 14. November eine Absichtserklärung für die Spiele abgeben. Oslo, Peking, Almaty, Krakau und Lemberg haben das bereits getan, mit Östersund wird noch gerechnet. Vor allem die Norweger dürften bei der IOC-Session im Juli 2015 in Kuala Lumpur neben München als Favorit gelten. „Wir wollen der Welt ein Beispiel geben, wie man Olympische Spiele im 21. Jahrhundert organisieren kann“, sagt Vesper. Möglicherweise aber lehnt eine Mehrheit Olympia ab. Wie zuvor die Bürger in Graubünden und Wien. Das wäre dann auch ein Beispiel für den Zustand der Olympischen Spiele im 21. Jahrhundert.

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