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Olympia-Auftakt II: Die Eröffnungsfeier aus chinesischer Sicht

Unsere Praktikantin aus China wird seit der Eröffnungsfeier in London immer wieder gefragt: „Fandest du die Feier besser oder schlechter als die in Beijing 2008?“ Sie findet, die Briten haben etwas, das den Chinesen wahrscheinlich fehlt: Humor.

Exakt zweitausendacht Trommler eröffneten die Olympischen Spiele in Beijing 2008 – ein phänomenaler Anblick. Londons Feier begann mit 70 Schafen, zwölf Pferden, zehn Hühnern und neun Gänsen. Dann ist eine falsche Queen zusammen mit James Bond mit einem Fallschirm aus einem Hubschrauber gesprungen.

Ich finde es schwer, beide Zeremonien miteinander zu vergleichen. Welche war besser? Die Briten haben auf jeden Fall etwas, das den Chinesen fehlt: Humor.

Die meisten Nutzer des größten chinesischen Mikroblogging-Diensten „Sina Weibo“ finden, dass die Feier in Beijing viel besser war als die in London. Die Eröffnungsfeier in Beijing war groß, spektakulär, und ehrgeizig. 15.000 Teilnehmer sorgten für teils verblüffende Effekte, 30.000 Feuerwerkskörper tauchten Beijings abendlichen Himmel in rotes, grünes und blaues Licht. Mehr als eine Milliarde Leute weltweit sahen die Eröffnungsfeier von 2008 im Fernsehen.

Die Zeremonie in London war nicht größer als damals in Beijing. Das wäre auch nicht möglich gewesen – Chinas Zeremonie kostete 40 Milliarden Dollar. Großbritannien hat nur 15 Milliarden Dollar investiert (eine Folge der Wirtschaftskrise?).

Beijing hatte eine Aufgabe: Es musste der Welt zeigen, dass China die neue Weltsupermacht ist. Deswegen sollte alles perfekt sein: Von vorne bis hinten genauestens durchchoreographiert. Niemand sollte am Keyboard das Sinfonieorchester aufmischen – noch nicht mal Mr. Bean. Ein paar Dinge, die den Organisatoren nicht „perfekt genug“ erschienen, wurden einfach manipuliert. Ein Teil des opulenten Spektakels war zuvor aufgezeichnet worden, und wurde in die weltweite Live-Übertragungen eingespielt – ähnlich wie bei der EM kürzlich, nur eben im ganz großen Stil. Das kleine Mädchen Lin Miaoke, das der Olympischen Spiele "sang", lieferte nur ein Playback. Die Organisatoren fand die wahre Sängerin nicht schön genug.

Ja, den Teil über die Geschichte Großbritanniens fand ich ein bisschen „cheesy“ und langweilig. Es erinnerte mich an den Geschichtsunterricht in der Grundschule. Aber Beijings Zeremonie sagte gar nichts über das historische Geschehen in China aus. Große Symbole gab es viele, aber alles war zu oberflächlich. Wiegt die Vergangenheit Chinas doch zu schwer, um sie in unserer Eröffnungsfeier zu zeigen? Wir Chinesen sind sehr stolz auf unsere Geschichte. Leider fehlte den Organisatoren ein bisschen Mut und Humor, um diese schwierige und manchmal nicht so perfekte Geschichte zu erzählen.

Das ehemalige Britische Weltreich zählt heute auf David Beckham, Harry Potter und Mr. Bean, um die Welt zu faszinieren. Trotzdem sind die Briten sehr stolz darauf. „Hey Jude“ ist nicht wie die "Ode an das Vaterland", die die damals zehnjährige Lin Miaoke sang. „Hey Jude“ ist offensichtlich zu populär und zufällig. McCartney schrieb das Lied ursprünglich für John Lennons Sohn Julian, der sehr unter der Trennung seiner Eltern litt. Es hat keine tiefere Bedeutung. Aber müssen wir denn immer alles so ernst nehmen?

Meiner Meinung nach war Londons Eröffnungsfeier einfach anders als die in Beijing, nicht notwendigerweise besser oder schlechter. Großbritannien ist ein kleines Land, aber die Briten sind coole und humorvolle Leute. Wie Hugh Grant – der „britische Premierminister “ in „Tatsächlich… Liebe“ – schon sagt: Großbritannien ist „das Land von William Shakespeare, Winston Churchill, den Beatles, Sean Connery, Harry Potter, David Beckhams rechtem Fuß, David Beckhams linkem Fuß, wenn wir schon dabei sind!“

Jan Cao kommt aus China und macht zurzeit ein Praktikum beim "Tagesspiegel"

Jan Cao

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