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© dpa

Olympia-Bilanz: Der Erfolg ist weiblich – und traditionell

Vor allem die Frauen haben für Deutschland bei den Winterspielen in Vancouver Medaillen gesammelt. In den Trendsportarten blieben die erhofften Siege allerdings aus – nun sind weitreichende Reformen geplant

Die Besetzung des Podiums im Deutschen Haus von Vancouver täuschte über das wahre Kräfteverhältnis in der deutschen Olympiamannschaft hinweg. Weil die Funktionäre des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) die Spiele von Vancouver bilanzieren wollten, saßen dort: Präsident Thomas Bach, Generaldirektor Michael Vesper, Missionschef Bernhard Schwank und Pressesprecher Christian Klaue. Kurz gesagt: nur Männer. Die Medaillen aber haben die Frauen gewonnen.

Der weibliche Teil der deutschen Olympiamannschaft hat einen Tag vor Abschluss der Spiele mit 18 von 29 Medaillen fast zwei Drittel aller deutschen Olympiaerfolge erreicht. „Ich hoffe, dass die männliche Seite sich das zum Vorbild nimmt und Gleichberechtigung schafft“, sagte DOSB-Präsident Thomas Bach. Die Frauen haben einen entscheidenden Anteil daran, dass die deutsche Mannschaft im Medaillenspiegel mit zehn Gold-, dreizehn Silber- und sieben Bronzemedaillen den zweiten Platz hinter Kanada belegte. „Aus unserer Sicht hat die deutsche Mannschaft eine fantastische Leistung abgeliefert“, sagte Bernhard Schwank, „sie hat jeden Tag mindestens eine Medaille gewonnen.“ Er wertete das erfolgreiche Auftreten der Deutschen auch als gute Botschaft für die Bewerbung Münchens für die Olympischen Winterspiele 2018.

Zählt man die Zahl der Goldmedaillen, wird die Überlegenheit der Frauen noch verblüffender: Acht von zehn Goldmedaillen wurden einer oder mehreren Frauen um den Hals gehängt. In der Biathletin Magdalena Neuner, die bei der Abschlussfeier die deutsche Fahne tragen sollte, und der Skirennfahrerin Maria Riesch sind auch die beiden größten deutschen Olympiastars weiblichen Geschlechts. Diese Winterspiele haben damit einen Trend bestätigt, den der DOSB schon länger festgestellt hat. „Leistungssport in Deutschland ist Frauensport, er ist aber auch Wintersport und Techniksport, diese drei Komponenten finden wir immer wieder“, sagte Thomas Bach. In den Traditionswintersportarten wie Ski Alpin, Langlaufen, Biathlon, Rodeln und Bobfahren sind deutsche Athleten auf dem Podium sehr gut vertreten gewesen. Bei den modernen Sportarten hingegen verpasst das deutsche Olympiateam gegenwärtig eine Entwicklung.

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Nichts zu holen. Der vierte Platz von Selina Jörg blieb die beste Leistung der deutschen Snowboarder. -

© AFP/ddp

Acht von zehn Goldmedaillen der deutschen Mannschaft gingen an die Frauen

Von 72 Medaillen, die in Cypress Mountain im Snowboard und Freestyle-Skifahren vergeben worden sind, ging keine einzige nach Deutschland. Das Gleiche gilt für die 24 Medaillen, die im Shorttrack ausgehändigt worden sind. Vor allem Nordamerikaner und Asiaten räumten in diesen jungen Trendsportarten ab. Die Olympischen Winterspiele haben sich in Vancouver durch die Integration von Skicross sogar noch einen weiteren Schritt in Richtung Funsportarten bewegt. „Wir müssen uns einem größeren Bereich öffnen, auch im Interesse der Olympiabewerbung Münchens“, sagte Thomas Bach, „wir wollen künftig eine Mannschaft anbieten, die in möglichst allen Wettbewerben Aussichten auf Erfolg hat.“ Bleibt die Frage, wie das zu schaffen ist. „Mit bloßen Fördermaßnahmen kommt man nicht weiter“, sagte Bach, „wir brauchen ein kulturelles Umdenken.“ So sei die jugendliche Pistenkultur, die in Cypress Mountain gut zu beobachten war, noch nicht in Deutschland angekommen. „Wir Deutschen sind dazu geneigt, den Jugendlichen zu sagen, dass sie erst anständig Langlauf oder Schneepflug lernen sollen, bevor sie so verrückte Dinge auf der Piste machen“, sagte der deutsche Sportchef lakonisch. „So ein Umdenken wird nicht einfach werden und auch nicht kurzfristig gehen.“

Der Snowboardverband Deutschland hatte eigentlich mit dem DOSB zwei Medaillen vereinbart, ein ehrgeiziges Ziel. Nun bildet ein vierter Platz von Selina Jörg im Parallel-Riesenslalom die beste Leistung eines deutschen Snowboarders. Der Verband, der noch nicht einmal eine Halfpipe in Deutschland besitzt, muss nun eine Kürzung der Fördermittel befürchten. Eine Förderung der modernen Sportarten solle jedenfalls nicht auf Kosten der traditionellen Sportarten gehen, sagte DOSB-Chef, „wir wollen das eine tun, ohne das andere zu lassen.“ Wie das gelingen soll, sagte er nicht. „Es geht aber auch nicht um die Frage der Förderung, sondern um die Frage, warum in diesen Sportarten nicht genügend Athleten vorhanden sind“, sagte Bach, „warum haben wir genügend Talente im Eisschnelllaufen, aber nicht im Shorttrack?“

In den traditionellen Sportarten gibt es diese Talente. 17 von 38 deutschen Medaillengewinnern haben zum ersten Mal an Olympischen Spielen teilgenommen. „Dieses Olympia-Team wird durch eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit kontinuierlich weiterentwickelt“, sagte Missionschef Bernhard Schwank, „das macht uns Hoffnung für die Spiele in Sotschi 2014.“

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