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Sehnt sich Roger Boyes etwa nach Deutschland zurück?

© Doris Spiekermann-Klaas

Olympia-Eröffnungsfeier: Welcome to Absurdistan

Die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele erhielt von Publikum und Medien viel Lob. Unser Kolumnist Roger Boyes fühlte sich allerdings eher an den Eurovision Song Contest erinnert und fand das ganze Spektakel gar nicht witzig.

Gut, es war halt nicht Peking, oder? Auch wenn die Queen wie ein düster dreinblickendes Politbüro-Mitglied aussah, das unter Verdauungsstörungen leidet. Die Eröffnungsfeier in Peking 2008 war voller Kämpfe, Tausender synchron spielender Trommler und Soldaten im Stechschritt. Die Botschaft war klar: China wird uns eines Tages alle unter sich begraben. Im Gegensatz dazu muss London 2012 einen Großteil der Welt vollkommen verwirrt haben.

Die laute, im Zeitraffer erzählte Geschichte Großbritanniens war wie ein Musical inszeniert, ein bisschen wie Les Miserables vielleicht – und vollgepackt mit Kitsch. Es sollte ein Schaufenster sein für all das, was Großbritannien so großartig macht: Harry Potter, Mr. Bean, James Bond. Aber am Ende sah das alles dem Eurovision Song Contest in Aserbaidschan erstaunlich ähnlich.

Was in aller Welt sollte die eine Milliarde Fernsehzuschauer davon halten? All diese ironischen Anspielungen auf britische TV-Seifenopern, die nicht einmal meine Mutter schaut. Das Ballett von Krankenschwestern und Ärzten als Symbol für das Gesundheitssystem – ein sehr britischer Triumph. Erzählt das doch bitte mal den Patienten, die sechs Monate auf ein künstliches Hüftgelenk warten. Glaubt mir, niemand tanzt in den Korridoren unserer Krankenhäuser. Und nur ums klarzustellen: Das war nicht die echte Queen, die da aus dem Hubschrauber gesprungen ist. Das sollte ein Witz sein. Lustig war es nicht.

Unsere Bildergalerie zur Eröffnungsfeier in London

Was gefehlt hat? Sport, der Geist der Fairness und des ehrlichen Wettbewerbs, ein Gefühl von Völkerverständigung. Dieses Jahr, so scheint es, werden die Olympischen Spiele in Absurdistan ausgetragen.

Roger Boyes war Deutschland-Korrespondent der "Times" und 15 Jahre Kolumnist des Tagesspiegel. Zu Olympia schreibt er im Wechsel mit Hockey-Nationalspielerin Natascha Keller und unseren Korrespondenten Friedhard Teuffel und Frank Bachner über die Spiele in London.

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