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Gedopt, erwischt, gelaufen, gejubelt. Justin Gatlin sprintete nach Ablauf seiner Sperre in London zu Bronze.

© dapd

Olympia in London: Doping lief mit

Das größte Kontrollprogramm bei Olympia war vor den Spielen versprochen worden. Doch der Betrug mit modernsten Methoden konnte nicht aufgedeckt werden. Es wurden nur Athleten mit Haschkeksen erwischt, während bestrafte Doper siegen durften.

Die interessanteste Episode zum Doping bei den Olympischen Spielen fand in Bozen statt. Dort hatte der italienische Geher Alex Schwazer etwas mitzuteilen. „Ich habe einen großen Fehler gemacht“, sagte er unter Tränen, „und ich kann nur wiederholen, wie leid es mir tut.“ Schwazer hatte 2008 olympisches Gold über 50 Kilometer gewonnen, für London galt er wieder als Favorit. Doch er kam gar nicht erst an, nach einem positiven Dopingtest blieb er in Italien und sagte, er wäre ohnehin nicht zu den Spielen gefahren: „Man sagt, dass man mit Doping stärker wird, aber seelisch war es das Schlimmste für mich.“

Das Internationale Olympische Komitee hatte das größte, tollste, beste Dopingkontrollprogramm für die Spiele in London angekündigt. 5500 Tests sollten ein neuer Rekord werden. Doch bis zum Sonntag konnten die Fahnder gerade einmal sieben Fälle melden, sechs in der Vorwettkampfphase und einen in der Wettkampfphase, und diese Fälle dienen auch nicht gerade als Schmuckstücke in der Dopingbekämpfung. Der US-amerikanische Judoka Nick Delpopolo hatte Haschkekse gegessen und wurde so zur leichten Beute für die Kontrolleure.

Den Betrug mit modernsten Methoden, also mit Wachstumshormonen, bestimmten Anabolika oder neuen Epo-Formen, hat das Kontrollprogramm nicht aufdecken können. Manche dieser modernen Substanzen sind nur durch Bluttests oder ein Blutprofil nachzuweisen. Victor Conte, der selbst mit einem Designersteroid lange Zeit unentdeckt Athleten dopte, nimmt das Testprogramm in London daher auch nicht ernst. „Sie müssten die Angel auswerfen, wenn die Fische beißen, und das war vor neun Monaten.“ Ist es einfach, zu dopen und davon während Olympia zu profitieren? Ja“, sagte der Gründer des inzwischen geschlossenen Balco-Labors in Kalifornien der „Times“. Conte glaubt, dass 60 Prozent der olympischen Athleten gedopt sind.

Doping - Szenen eines Problems:

Jacques Rogge, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, verteidigt jedoch das Kontrollsystem: „Man darf nicht vergessen, dass wir schon 117 Fälle hatten von April bis zur Eröffnung des olympischen Dorfs. Und auch die Fälle, die wir hier hatten, zeigen, dass das System funktioniert.“

London war auch die Bühne für so manchen Rückkehrer nach seiner abgelaufenen Sperre. Der US-amerikanische Sprinter Justin Gatlin ist wohl der prominenteste unter ihnen, er gewann Bronze im 100-Meter-Lauf. Hammerwerferin Tatjana Lysenko aus Russland holte sogar Gold. Und ob Alexander Winokurow wirklich ein würdiger Sieger des Straßenradrennens ist, nachdem ihm schon Doping mit fremdem Blut nachgewiesen wurde, darf auch bezweifelt werden. Jacques Rogge kündigte an, gemeinsam mit der Welt-Anti-Doping-Agentur eine neue Regel auszuarbeiten, die Doper von der Teilnahme an den nächsten Olympischen Spielen auch nach Ablauf ihrer Sperre ausschließt.

Immerhin gab Alex Schwazer in Bozen ein paar Einblicke. Er sei im September in die Türkei geflogen, um sich dort für 1500 Euro Erythropoetin zu besorgen, kurz Epo. Das Blutdopingmittel erhöht die Ausdauerleistung. Schwazer ist mit der Eiskunstläuferin Carolina Kostner verlobt, die in diesem Jahr Weltmeisterin wurde. Um das Epo vor ihr zu verstecken, habe er es in einer Schachtel mit Vitaminen im Kühlschrank aufbewahrt, sagte Schwazer. Das nötige Wissen, um Epo zu spritzen, habe er sich aus dem Internet geholt und es sich täglich im Bad gespritzt. „Ich habe alles Mögliche getan, um andere nicht mit hineinzuziehen.“

Eigentlich habe er sich sogar bewusst erwischen lassen, erzählte der italienische Athlet, weil er den Druck nicht mehr ausgehalten habe. „Ich bin nicht dafür gemacht, um zu dopen und andere Menschen zu betrügen.“ Als es an der Tür klingelte, habe er gewusst, dass es nur der Dopingkontrolleur sein könne. Seine Mutter hätte auch sagen können, dass er nicht zu Hause sei, doch das wollte er nicht. Inzwischen habe er auch Carolina Kostner sein Doping gestanden, sie unterstütze ihn weiterhin und lasse ihn nicht allein. Im Gegensatz zu Kostner, die ihren Sport liebe, sah Schwazer im Gehen offenbar keine Erfüllung: „Ich mache Gehen, weil ich es gut kann, aber ich mag es nicht, 35 Stunden in der Woche immer das Gleiche zu tun.“ Seine Karriere sei jetzt beendet, vielleicht hat Doping ihm den Rest gegeben.

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