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Olympiastadion London: Angst vor weißen Elefanten

In Londons East End entsteht das Gelände für die Olympiade 2012. Im Sommer soll der Bau des Stadions beginnen. Es ist ein Mammutprojekt, das Budget wurde bereits weit überzogen. Doch das Projekt soll keine Fehlinvestition werden.

Von Markus Hesselmann

Zwischen Schuttbergen bahnen sich Bagger den Weg. Mit ihren weißen Helmen und gelben Westen heben sich die Arbeiter vom schwarzen Untergrund ab. Der Ort des Olympiastadions für die Spiele 2012 ist eine Lavawüste mitten im geschäftigen Londoner East End. Wie eine Fata Morgana zeichnen sich im Dunst am Horizont die Wolkenkratzer der City ab. Canary Wharf, das glitzernd aufragende Bankenviertel an der Themse, liegt nur wenige Kilometer entfernt. Letzte Aufräumarbeiten laufen auf der Brache, der Bau des Stadions soll im Sommer beginnen – dem olympischen Sommer der Spiele in Peking. 80 000 Zuschauer wird die Hauptarena im Londoner Stadtteil Stratford fassen. Außer dem Olympiastadion entstehen auf dem 2,5 Quadratkilometer großen Areal im East End das Athletendorf, das Medienzentrum, die Schwimmhalle und das Velodrom.

„Man hätte sich kein schwierigeres Gelände aussuchen können“, sagt Paul Deighton, Geschäftsführer des Organisationskomitees für 2012. Der drahtige Manager, Anfang 50, Figur eines Langstreckenläufers, zählt die Probleme auf, die das Buddeln und Bauen in einem alten Industriegebiet aufwerfen: verseuchter Boden, überall Schutt, Eisenbahnschienen, Leitungen, Rohre – das alles muss raus. Was wieder verwendet werden kann, wird mühevoll recycelt.

„Man hätte sich aber auch kein wertvolleres Gelände aussuchen können“, sagt Deighton und erzählt von der unschlagbaren Lage des Baugrunds inmitten der Finanzhauptstadt Europas. Von der Nähe zur City, der Anbindung an den Eurostar nach Paris, den vielen anderen Schienen, Straßen und Wasserwegen, die hierher führen. Vom riesigen Einkaufszentrum, das nebenan in Stratford geplant ist, und von den bereits begonnenen Wohnungsbauprojekten rundherum. All das soll das Olympiagelände nach den Spielen zu einem Juwel auf dem Immobilienmarkt machen und eine lukrative Nachnutzung sichern, sagt Deighton, der vor seinem Engagement für London 2012 als Europachef beim Investmentbanker Goldman Sachs tätig war. Es werde keine „white elephants“ geben, sagt Deighton. Mit dem Begriff aus der Tierwelt bezeichnet die englische Sprache spektakuläre Investitionsruinen.

Robert Neill hält viel von Paul Deighton. „Er ist ein guter Mann aus der Privatwirtschaft“, sagt der Politiker, der für die Konservative Partei im britischen Unterhaus sowie im Londoner Stadtparlament sitzt und die Olympiavorbereitungen kritisch begleitet. Weniger hält Neill von den finanziellen Planungen für 2012, deren Gesamtvolumen sich seit dem Zuschlag 2005 auf rund 14 Milliarden Euro vervierfacht hat. Neills Vorwurf: „Das Budget wurde für die Bewerbung bewusst klein gerechnet.“ Sein neuestes Beispiel: Die olympische Schwimmhalle, deren Kosten von den veranschlagten 112 auf 322 Millionen Euro stiegen.

Paul Deighton erklärt die erhöhten Kosten der Schwimmhalle mit der Komplexität des Projekts. „Wir brauchen für die Zeit der Spiele eine Halle von den Ausmaßen der O2-Arena mit Becken darin“, sagt Deighton. Die O2-Arena steht am Südufer der Themse und bietet als Konzert- und Sporthalle rund 20 000 Zuschauern Platz. 2012 werden dort Basketball und Handball gespielt. Die O2-Arena war vor den Spielen schon da und wird danach bleiben, wie sie ist. Die Schwimmhalle aber werde nach den Spielen zum Teil zurückgebaut und in angemessener Größe weiter genutzt, sagt Deighton. „Das macht die Konstruktion kompliziert und teuer.“ Für das Olympiastadion gibt es ähnliche Rückbaupläne. Es soll dann später von einem Londoner Fußball- oder Rugbyteam genutzt werden.

Geld ist ein Faktor, Zeit der zweite. „Wir liegen im Plan“, sagt Paul Deighton, auch wenn die Schwimmhalle wohl erst 2011 fertig wird, zwei Jahre später als ursprünglich angenommen. Der nächste wichtige Termin für Deighton und sein Team ist der 29. August. „Von da an geht es um uns“, sagt der Olympiamanager. An dem Tag präsentiert sich London bei der Schlussfeier in Peking mit einem achtminütigen Film als nächster Gastgeber.

Die Spiele von Peking bereiten den britischen Organisatoren nicht nur Freude. Da sind die Fälle der Leichtathleten Dwain Chambers und Christine Ohuruogu. Der Sprinter Chambers wurde des Dopings überführt, saß seine Strafe ab und erzwingt nun mit Leistungen, die über der Qualifikationsnorm liegen, seine Rückkehr ins britische Team. Die 400-Meter-Läuferin Ohuruogu war dreimal bei Dopingtests nicht angetroffen worden und wurde für ein Jahr gesperrt. Zusätzlich schloss der britische Olympiaverband sie von zukünftigen Spielen aus. Gegen diesen Bann klagte die Athletin mit Erfolg. 2007 endete ihre Dopingsperre, nun will sie auch bei Olympia dabei sein. Dopingsünder als Leistungsträger sind aber sicher nicht das, was die imagebewussten Briten brauchen.

Zudem gab es Ärger wegen Verträgen, in denen britische Athleten sich verpflichten sollten, während der Spiele von Peking keine Kritik an der politischen Situation im Gastgeberland zu üben. „Großbritannien macht Kotau vor China“, titelte das Massenblatt „Daily Mail“ und verglich den Vorgang mit dem Nazi-Gruß des englischen Fußballteams bei einem Länderspiel in Deutschland 1938. Der britische Olympiaverband hat nun angekündigt, die entsprechende Klausel aus den Athletenverträgen zu entfernen.

All die negativen Geschichten scheinen weder Fans noch Geldgeber zu schrecken. Die weltumspannende olympische Idee ist wohl zu groß, um nachhaltig Schaden zu nehmen. Paul Deighton verweist auf Meinungsumfragen, die konstant eine Zustimmung von 70 Prozent der Briten für die Spiele in London signalisieren. Das sieht die britische Wirtschaft offenbar genauso. Gerade hat das Londoner Organisationskomitee einen neuen Sponsor gemeldet: Die Fluggesellschaft British Airways zahlt 60 Millionen Euro für Werberechte und den Titel der offiziellen Olympia-Airline.

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