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Nicht ganz die Pose von Cristo Redentor - Usain Bolt.

© dpa

Olympische Spiele: Usain Bolt - der Sprintertainer

Usain Bolt peilt sein drittes Goldtriple an. Für Olympia ist er von unschätzbarem Wert. Nur dem Misstrauen kann er nicht davonlaufen.

Als Usain Bolt den Saal betritt, ist er enttäuscht. Zur Pressekonferenz des jamaikanischen Olympiateams sind zwar rund 60 Kamerateams, 40 Fotografen und mehr als 300 Journalisten gekommen, Bolts Hauptsponsor hat extra einen riesigen Theatersaal angemietet, den größten von ganz Südamerika. Die Scheinwerfer leuchten, die Musik wummert, das jamaikanische Fernsehen überträgt live – aber Usain Bolt ist trotzdem nicht zufrieden. „Ihr müsst schon ein bisschen lauter klatschen“, sagt er. „Das war schwach.“ Natürlich grinst der größte Leichtathletik-Star der Welt dabei, so wie er eigentlich immer grinst. Ein bisschen ernst scheint er es aber doch zu meinen, schließlich ist es Bolt seit acht Jahren gewohnt, frenetisch bejubelt zu werden, egal wohin er kommt.

Vor acht Jahren, bei den Olympischen Spielen in Peking, gewann Bolt drei Goldmedaillen über 100 Meter, 200 Meter und mit der jamaikanischen Sprintstaffel. Vier Jahre später kamen in London drei Goldmedaillen dazu. Zwischendurch flog er regelrecht bei vier Weltmeisterschaften zu elf von zwölf möglichen Titeln, nur ein Fehlstart bei der WM 2011 in Daegu trübt seine ansonsten makellose Bilanz. In Rio der Janeiro will der 29-Jährige nun das dreifache olympische Triple voll machen – eine Leistung, die in der Leichtathletik ihresgleichen sucht. In den vergangenen Jahren hat der Jamaikaner seine von Skandalen gebeutelte Sportart fast allein in den positiven Schlagzeilen gehalten. Mit seinem unvergleichlichen Laufstil, seinen Triumphen und seinem Charme.

Wenn am Sonntagabend (MESZ Montag 3.25 Uhr) der Startschuss im 100-Meter-Finale fällt, wird die Welt den Atem anhalten und die Augen auf Bolt richten.

Eine Reporterin will bei der Pressekonferenz wissen, ob er sich überhaupt noch als Sprinter sehe oder nicht doch eher als Entertainer. „Beides“, lautet seine Antwort. Zuerst sei er natürlich ein Sprinter. „Aber ich liebe es, die Leute zu unterhalten“, sagt Bolt. „Besonders diese Jungs hier.“ Er zieht eine Grimasse, die Fotografen drücken hektisch auf ihre Auslöser und Bolts Grinsen wird noch einmal breiter. Seine Olympia-Vorbereitung sei zwar nicht perfekt gelaufen, sagt Bolt. Trotzdem sei er in viel besserer Form als vor einem Jahr bei der WM in Peking. Im Vorlauf von Rio, den er in 10,07 Sekunden gewinnt, ist er eher gejoggt als gesprintet und hat sich ab der Hälfte des Rennens nach der Konkurrenz umgeschaut.

Vor Usain Bolt hat Jamaikas Team noch ein paar andere unbekanntere Leichtathleten auf die Bühne geschickt, vermutlich um die Spannung auf den Hauptdarsteller zu steigern. Zuerst hat niemand eine Frage an sie, dann melden sich doch ein paar Reporter. Wie es denn so sei, mit einem Usain Bolt in derselben Mannschaft zu starten, will jemand wissen, das müsse doch ein wahnsinniger Druck sein. Und Sprinter Asafa Powell, seit Jahren Wegbegleiter und Zimmergenosse von Bolt, wird gefragt, welche anderen Sprinter den Jamaikanern und ihrem Anführer in Rio gefährlich werden könnten. „Es existieren keine anderen“, sagt Powell und lacht.

Von den zehn schnellsten Menschen sind neun positiv getestet worden

Dann gibt sich der König der Leichtathletik höchstselbst die Ehre. Natürlich muss er sich auch zu den weniger schönen Dingen äußern, die in seinem Reich vonstatten gehen, zum Beispiel zum allgegenwärtigen Doping-Thema. „Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg. Die Bösen werden aussortiert“, sagt Bolt und schafft es dabei für einen Moment, seriös und vertrauenswürdig zu gucken. „Manchmal muss man harte Zeiten durchmachen, um bessere Zeiten zu erleben. In ein paar Jahren werden wir sauberen Sport erleben und alles wird großartig sein.“ Er selbst beschäftige sich nicht mit der Frage, ob seine Kontrahenten in Rio de Janeiro sauber seien oder nicht. „Es gibt für nichts im Leben Garantien“, sagt er. Der Kampf gegen Doping sei aber Angelegenheit der Wada, der des Weltverbands IAAF, des IOC, „von diesen Typen“. Für ihn gehe es darum, „mein Bestes zu geben, die Zuschauer mitzureißen und sie zu unterhalten“.

Bolts unglaubliche Siegesserie und seine Weltrekorde über 100 und 200 Meter, beide aufgestellt bei der WM 2009 im Berliner Olympiastadion, haben das Misstrauen auch gegenüber dem Ausnahmeläufer wachsen lassen. Bolt ist mit Sicherheit ein einzigartiger Athlet: Er verfügt über den perfekten Laufstil und die besten Hebelverhältnisse aller Sprinter. Aber reicht das wirklich aus, um all die Jahre lang all jene zu besiegen und vorzuführen, die nachweislich beim Dopen erwischt wurden?

Bei all seiner Brillanz und seinem Charme läuft auch bei Bolt das Misstrauen immer mit. Ein deutscher Leichtathlet hat kürzlich von einer Dopingkontrolle bei der WM 2013 in Moskau berichtet. Bolt sei zu der Kontrolle mit vier Männern im Schlepptau erschienen, offiziell erlaubten die Regeln aber nur einen Begleiter pro Athlet. „Bolt ist mit vier Leuten da rein. Was willst du zu fünft da drin? Hat einer Bargeld dabei?“, fragte sich der deutsche Athlet damals. Es sei doch sehr verwunderlich, dass von den zehn schnellsten Menschen aller Zeiten neun positiv getestet worden seien. „Nur einer nicht. Und wer ist der eine?“, fragt der deutsche Sportler. „Wir müssen doch nur logisch denken.“ Es glaube doch längst niemand mehr ernsthaft, „dass Usain Bolt jemals in ein Röhrchen gepisst hat“.

Der Weltverband IAAF ist in der Tat in der Vergangenheit nicht dadurch aufgefallen, bei prominenten Sportlern allzu genau hinzusehen – und Usain Bolt ist der prominenteste von allen. Für die Leichtathletik und für die Olympischen Spiele ist er von unschätzbarem Wert, als Sportler, Gesicht und Marke. Zurzeit ist kein Athlet in Sicht, der in Sachen Unterhaltungsfaktor und Wow-Effekt an ihn heranreichen könnte.

Wer Usain Bolt einmal mit eigenen Augen laufen gesehen hat, vergisst das nie wieder.

Zum Abschluss der Pressekonferenz wird Bolt von einer Reporterin noch gebeten, „eine Botschaft an die Kinder der Welt“ zu formulieren. Seine leichteste Übung, er muss nicht einmal darüber nachdenken. „Arbeitet hart an euch! Lasst euch nicht erzählen, dass ihr irgendetwas nicht könnt“, sagt Usain Bolt ohne zu zögern. „Ich habe mich immer wieder selbst angetrieben. Es war nicht einfach – man darf nur nicht aufgeben!“ Mit diesem Satz beendet der König die Audienz, eine Horde fast nackter Sambatänzerinnen samt Trommlergruppe stürmt in den Saal, Usain Bolt tut kurz überrascht, lässt dann aber doch mit den Damen die Hüften kreisen, als sei er gebürtiger Carioca und Rios Karnevalsprinz auf Lebenszeit.

Dann tanzt Usain Bolt von der Bühne, dem nächsten großen Spaß entgegen.

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