zum Hauptinhalt

Olympische und Paralympische Muster: Sitzvolleyballerin Bethany Zummo würde gern mit Tom Daley häkeln

Bethany Zummo hat zwei Leidenschaften: Sitzvolleyball und Häkeln. Für letzteres begeistert sich auch der Wasserspringer Tom Daley. Treffen sich die beiden bald?

Häkeln ist ihr Hobby. Nähen und Stricken auch, um genau zu sein. Bethany Zummo ist die „Oma unter den US-amerikanischen Sitzvolleyballerinnen“, wie die 28-Jährige selbst sagt. Ein T-Shirt muss geflickt werden? Zummo kümmert sich darum. Jemand möchte eine gehäkelte Tasche? Kein Problem. Mehrere tausend Masken nähen und spenden? Auch das arrangierte Zummo mit ihrer Familie während der Pandemie. Sie ist eine paralympische Profiathletin mit einem ziemlich außergewöhnlichen Hobby - dachte sie zumindest. „Da denkt man, man ist etwas Besonderes, und dann schaut man bei Olympia rein und sieht, dass Tom Daley auch die ganze Zeit häkelt“, sagt Zummo scherzend dieser Zeitung. Seelenruhig saß der britische Wasserspringer Daley auf der Tribüne in der Wettkampfhalle und ging seinem Hobby nach. Ob Häkeln der Schlüssel zum Erfolg ist? Daley gewann in Tokio Gold, auch Zummo gewann am Sonntag mit den US-amerikanischen Sitzvolleyballerinnen das Finale gegen China.

Tom Daley bei den Olympischen Spielen in Tokio.
Tom Daley bei den Olympischen Spielen in Tokio.

© Clive Rose/Getty Images

„Die Leute wollen wirklich, dass wir uns treffen“

Ein Journalist brachte sie auf die Idee, zusammen mit Daley sowohl olympische, als auch paralympische Muster zu häkeln. „Ich habe Tom Daley eine Nachricht geschrieben, aber er hat noch nicht geantwortet“, erklärt Zummo lachend. Sie kann kaum fassen, wie viele Leute gerade versuchen, Daleys Aufmerksamkeit auf sie zu lenken und ihn unter Häkel-Videos markieren. „Die Leute wollen wirklich, dass wir uns treffen. Ich habe nicht geahnt, dass das jetzt so ein Ding wird. Aber es ist schon lustig.“ Zummo hat aber wenig Hoffnung, dass sie Daley zu dem gemeinsamen Projekt bewegen kann. „Ich weiß nicht mal genau, wo er gerade ist, ich glaube in England? Das ist schon sehr weit weg.“ Dennoch würde Zummo sich wahnsinnig freuen, wenn Daley sich noch bei ihr meldet: „Ich glaube, dann kippe ich um.“

Tom Daley (links) und Matty Lee haben bei den Olympischen Spielen Gold im Synchronspringen vom 10-Meter-Brett gewonnen.
Tom Daley (links) und Matty Lee haben bei den Olympischen Spielen Gold im Synchronspringen vom 10-Meter-Brett gewonnen.

© Jean Catuffe/Getty Images

Gerade häkelt Zummo eine Tasche mit den Agitos – dem paralympischen Symbol – auf der einen Seite und der amerikanischen Flagge auf der anderen Seite. Die Handarbeit hilft ihr vor den Wettkämpfen Stress abzubauen. „Es hilft mir einfach, wenn ich nervös bin. Mein Gehirn hat dann etwas anderes, auf das es sich konzentrieren muss. Andere lesen ein Buch oder schauen Videos auf TikTok, ich häkele dann.“

Zummo näht, strickt und häkelt bereits seit Kindestagen, auch ihre Mutter und Großmutter begeisterten sich für das Handwerk. „Für mich hat das etwas Nostalgisches, weil sie mir das damals beigebracht haben. Es hat etwas Beruhigendes, aber auch etwas Herausforderndes.“ Schon damals liebt Zummo es, Dinge zu kreieren, studiert später Theater- und Kostümdesign. „Es ist etwas, wo man nicht gegeneinander antritt, ganz anders als beim Sport“, sagt sie. „Das ist es auch, was ich an der Kunst mag: Es ist für mich kein Wettkampf.“ Die US-Amerikanerin vertreibt ihre eigenen gehäkelten und genähten Produkte unter anderem über den kleinen Online-Shop „the zummo collective“.

Seit über zehn Jahren im Nationalteam

Egal ob im Sport oder beim Häkeln, Bethany Zummo probiert gerne neue Sachen aus, passt sich an, lernt schnell dazu. „Ich bin sehr flexibel“, sagt die 28-Jährige. Seit über zehn Jahren spielt sie für das US-amerikanische Sitzvolleyball-Nationalteam. „Ich liebe es, wie ich mich dabei fühle“, erklärt sie. Früher spielte sie Standvolleyball in der Middleschool, zögerte, mit dem Sitzvolleyball anzufangen. „Ich habe mich damals noch nicht als Teil einer behinderten Gemeinschaft gesehen. Alles, was ich wollte, war normal zu sein.“ Mit der Zeit fühlte sie sich schließlich in der Highschool als Athletin etabliert, hatte darin ihre Identität gefunden. „Das konnte mir keiner mehr wegnehmen. Und dann habe ich mich getraut, Sitzvolleyball als neue Herausforderung auszuprobieren. Nicht, weil ich unfähig gewesen wäre Standvolleyball zu spielen, sondern weil es meine Entscheidung war Sitzvolleyball auszuprobieren.“ Und es sollte die richtige Entscheidung gewesen sein: „Der Sport ist so hart, ich liebe es.“

Mit dem amerikanischen Team gewann Bethany Zummo 2014 und 2018 Silber bei den Weltmeisterschaften, 2016 in Rio bei ihrer ersten paralympischen Teilnahme Gold. Die Paralympics bleiben für die 28-Jährige auch in Tokio noch etwas ganz Besonderes. „Es ist einfach das Erlebnis, mit meinem Team hier zu sein, andere Mannschaften und Athleten zu sehen, im paralympischen Dorf zu leben, auf so einem Elite-Niveau spielen zu dürfen. Es ist eine große Show.“ Alle anderen Turniere seien letztendlich auch eine Vorbereitung auf die Paralympics. „Wir haben jeden Tag trainiert. Zwei Drittel unseres Teams leben und trainieren zusammen in Oklahoma“, sagt Zummo.

Teamspirit ist der Schlüssel zum Erfolg

„Wir gewinnen und verlieren zusammen“, erklärt sie. Individualsport hat die US-Amerikanerin nie interessiert. „Die Gemeinschaft treibt mich an, egal ob im Theater oder auf dem Volleyballfeld. Verschiedene Menschen kommen zusammen, jeder hat seinen Job zu tun und gemeinsam performen wir.“ Auch wenn es mal nicht läuft, sind Zummos Teamkolleginnen für sie da – und andersrum genauso.

Bethany Zummo klatscht Teamkollegin Lora Webster im Spiel gegen Rwanda ab.
Bethany Zummo klatscht Teamkollegin Lora Webster im Spiel gegen Rwanda ab.

© Yasuyoshi CHIBA / AFP

Als während der Pandemie zwischenzeitlich kein gemeinsames Training möglich war, beginnt für Zummo eine schwierige Zeit. „Mental und emotional war das eine große Herausforderung für mich“, sagt sie. Gemeinsam mit dem brasilianischen Sitzvolleyballspieler Fabricio Da Silva Pinto trainiert sie online, 2021 heiratet das langjährige Paar. „Mein Mann ist ein sehr großer Teil meines Lebens und er spielt eine große Rolle auf meiner paralympischen Reise. Wir haben eine einzigartige Beziehung, weil wir uns gegenseitig verstehen und unterstützen können, wie kein anderer es kann.“

Doch nicht nur ihr Ehemann, auch das Nähen der Masken hilft Zummo durch die wettkampffreie Zeit. „Irgendwann waren vier Nähmaschinen auf meinem Küchentisch gleichzeitig in Betrieb“, erklärt sie. Sie brachte ihren Schwestern und ihrer Tante einige Basics bei, auch ihre Mutter und Großmutter halfen. 5000 Masken spendete die Familie insgesamt. „Es hat sich gut angefühlt ein Ziel in dieser beängstigenden Zeit zu haben“, erklärt sie.

Dass die Spiele in Tokio nun doch stattfinden, erleichtert Zummo immens. „Es macht mich unfassbar dankbar, dass wir jetzt hier sein können. Es ist ein Wunder, eigentlich haben wir damit schon gewonnen. Ich bin so glücklich.“ Ein Leben ohne Sitzvolleyball kann sie sich gar nicht vorstellen. „Während der Pandemie habe ich das ein Stück weit erfahren und ich habe es gehasst. Ich habe es so sehr vermisst. Ich liebe den Sport, ich möchte damit wachsen, und ich möchte, dass Leute den Sport kennen und Lust bekommen, ihn einfach mal auszuprobieren.“ Es sei gut und wichtig, dass die Paralympics präsent seien, auch durch Social Media. „Als Kind wusste ich nicht mal, was die Paralympics sind. Ich hätte mir gewünscht, dass ich zu einem sportlichem Vorbild hätte aufschauen können.“ Für die junge Frau ist es wichtig, gerade Kindern zu zeigen: „Das ist großartig und ihr könnt das!“ Bethany Zummo würde sich freuen, wenn sich diese Botschaft noch viel weiter verbreitet – vielleicht ja, wenn Tom Daley sich vor seinen 3,5 Millionen Instagram-Followern doch noch zu einer Häkel-Runde mit ihr bereit erklärt.

Dieser Text ist Teil der diesjährigen Paralympics Zeitung. Alle Texte unserer Digitalen Serie finden Sie hier. Alle aktuellen Entscheidungen und Entwicklungen lesen Sie in unserem Paralympics Blog.  

Mona Alker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false