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Sport: Olympische Versteckspiele

Beobachter decken Lücken im Kontrollsystem von Peking auf: Die Fahnder konnten viele Athleten gar nicht finden

Berlin - Bei den Olympischen Spielen in Peking gab es nicht nur erfolgreiche und weniger erfolgreiche Länder, es gab offenbar auch faire und weniger faire. Fast die Hälfte aller teilnehmenden Nationen haben das Internationale Olympische Komitee (IOC) nicht darüber informiert, wo sich ihre Athleten unmittelbar vor und während der Spiele aufhielten. Für die Dopingkontrolleure waren diese Athleten daher nicht zu erreichen. Das bemängelt die unabhängige Beobachtergruppe der Wada, der Welt-Anti-Doping-Agentur, in ihrem Abschlussbericht zu den Spielen.

„Es ist einer der wichtigsten Punkte des Kontrollsystems, dass man unangemeldete Trainingskontrollen durchführen kann“, sagte Mario Thevis, Mitglied der Beobachtergruppe und Professor für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln. „Wenn Athleten nicht zu erreichen sind, eröffnet das zahlreiche Möglichkeiten der Manipulation und des Betrugs.“

Es gibt dafür auch ein prominentes Beispiel. Bei den Spielen vor vier Jahren in Athen hatten die beiden griechischen Sprinter Ekaterina Thanou und Kostas Kenteris versucht, den Dopingkontrolleuren zu entkommen und schließlich einen Motorradunfall vorgetäuscht. Damit es solche Versteckspielchen nicht mehr gibt, hat das IOC eindeutige Regeln aufgestellt. Nur haben sich die Hälfte der Länder nicht daran gehalten. Von Sanktionen ist bisher nichts bekannt. Das IOC teilte gestern auf Anfrage mit, dass es sich in Kürze schriftlich zu den Vorwürfen äußern wolle.

Thevis nahm die deutsche Olympiamannschaft von der Kritik aus. „Der Deutsche Olympische Sportbund hat extra zwei Leute abgestellt, die sich darum gekümmert haben“, sagte er. Auch die Nationale Anti-Doping-Agentur versteht nicht, dass bei den Aufenthaltsorten der Athleten kein verbindlicher Standard eingehalten worden ist. „Wir müssen die Erklärungen abwarten, aber es ist gut, dass dieses Versäumnis an die Öffentlichkeit kommt“, sagte Ulrike Spitz, die Sprecherin der Nationalen Anti-Doping-Agentur.

Die fehlenden Auskünfte sind nur einer von mehreren Kritikpunkten, die die Beobachtergruppe in ihrem 50-seitigen Bericht festgehalten hat. Sie bemängelt außerdem, dass noch 300 Testergebnisse aus Peking fehlen. Zudem seien 100 auffällige Proben als negativ gekennzeichnet worden. Dabei handelte es sich um Proben mit einem erhöhten Testosteron- Wert. Für Thevis ist dieser Kritikpunkt allerdings nachrangig. „Das war nur ein Fehler in der Dokumentation“, sagte er. Nachdem ein erster Test auffällige Werte ergeben hatten, sei in der zweiten Untersuchung herausgekommen, dass die Athleten nur körpereigenes Testosteron aufwiesen und nicht von außen zugeführtes und daher nicht gedopt hätten .

Die Auswertung der Testergebnisse ist für das IOC ohnehin noch nicht zu Ende. In der vergangenen Woche sind die 4770 in Peking genommenen Dopingproben im Labor von Lausanne angekommen, wo sie noch einmal untersucht werden sollen – unter anderem auf das Blutdopingmittel Cera. „Ich denke, dass wir es in drei Wochen oder in einem Monat beenden können“, sagte IOC-Präsident Jacques Rogge der Deutschen Presseagentur. Acht Jahre werden die Proben insgesamt aufgehoben. „Die Peking-Spiele werden komplett erst in acht Jahren beendet werden“, sagte Rogge.

Auch auf Insulin werden die Proben jetzt untersucht. Auf diesen Test hatte das IOC in Peking verzichtet, obwohl Mario Thevis mit seinen Kollegen ein entsprechendes Nachweisverfahren entwickelt hatte. „Ich hatte das Verfahren in mehreren wissenschaftlichen Veröffentlichungen bekannt gegeben, und in der Gerichtsmedizin wird es auch schon angewendet.“

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