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Sport: Olympischer Wandel

Das IOC will alte Sportarten aussortieren und neue aufnehmen – vielleicht schon am kommenden Wochenende

Von Erik Eggers

Berlin. Die Stimmung ist angespannt vor der 114. Session des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die am kommenden Wochenende in Mexiko-Stadt stattfinden wird. Deswegen will Roland Baar dieses „sportpolitisch schwierige Thema“ am liebsten nicht mehr kommentieren. Seit 1999 ist der ehemalige Ruder-Weltmeister Mitglied im IOC , und er sitzt auch in jener Kommission, die nachzudenken hatte über das sportliche Programm der Olympischen Spiele. Ende August hat dieses Gremium nun Änderungen vorgeschlagen: Der Moderne Fünfkampf, Baseball oder Triathlon sollen abgeschafft werden, andere Sportarten wie Rugby oder Golf sollen aufgenommen werden. „Auch Olympia muss sich neuen Sportarten öffnen“, sagte Baar damals. Und dann brach er los, der Sturm hinter den Kulissen der internationalen Sportpolitik.

Öffentliche Unterstützung erhalten hier zu Lande viele Sportarten nur bei Wahrung des olympischen Status, nur dann sind öffentliche Aufmerksamkeit, TV-Präsenz und staatliche Zuschüsse gewährleistet. Andernfalls verlieren Sportarten wie Judo, Hockey oder Taekwondo jegliche Betreuung durch die Olympiastützpunkte. Auch die betreffenden Spitzenfunktionäre müssten auf Macht und Einfluss im IOC verzichten, und auf die lieb gewonnen Reisemöglichkeiten zu Kongressen und Olympischen Spielen. „Dabei sein ist alles“ – das olympische Motto gilt auch für die Schar der Funktionäre.

Daher waren die Wochen bis zur Entscheidungsfindung gekennzeichnet von harter Lobbyarbeit. Wie so etwas in der Praxis aussieht, das demonstriert zurzeit Klaus Schormann, Präsident der deutschen und internationalen Modernen Fünfkämpfer. Er hat das direkte Gespräch mit den Entscheidungsträgern aus dem IOC gesucht. „Allein bei den Asienspielen, habe ich mit 15 von ihnen gesprochen“, sagt Schormann stolz. Und immer hat der Funktionär dabei seinen, wie er meint, größten Trumpf ausgespielt: die Historie. Der Moderne Fünfkampf wurde schließlich vom französischen Schöpfer der modernen Olympischen Spiele, Pierre de Coubertin, kreiert und 1912 ins Programm der Olympischen Spiele gehoben.

Ein modernes Äquivalent zum antiken Pentathlon sollte das sein, und auch Schormann betont, der Mix aus Schwimmen, Schießen, Fechten, Laufen und Reiten weise „wie keine andere Sportart Vielseitigkeit, Aspekte der Erziehung und technische Elemente“ auf. Was seine vielen Faxe aus guten Gründen nicht erwähnen: die paramilitärischen Überlegungen des Barons bei der Erfindung dieser Sportart, und dass eben überhaupt nicht fernsehtauglich ist. Recht aber hat Schormann mit seinem Argument, der Moderne Fünfkampf sei eines der „letzten Relikte“ der Gründungsfigur. Fast alle ursprünglichen olympischen Inhalte sind in der Tat verloren gegangen, etwa das Startverbot für Profis und für – Frauen. Schormann ist sich daher „ganz sicher, dass wir nicht aus dem Programm gekippt werden“. Die meisten IOC-Mitglieder hätten ihm versichert: „Du glaubst doch wohl nicht, dass wir das Erbe Coubertins ins Museum legen.“

Andere sehen das differenzierter: „Dass der Moderne Fünfkampf überhaupt olympisch ist, habe ich noch nie verstanden“, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Rugby-Verbandes, Volker Himmer. Im Vergleich zu Rugby, findet er, sei diese Sportart doch unbedeutend. „Die Rugby-WM ist nach Olympischen Spielen und Fußball-Weltmeisterschaften die drittgrößte Sportveranstaltung der Welt“, sagt Himmer, „auch wenn wir in Deutschland mit 8000 Mitgliedern ein Schattendasein führen.“ Natürlich will auch Rugby olympisch werden, „denn das erhöht ja nicht nur Ansprache an die Sponsoren, sondern verspricht auch Mittel aus der öffentlichen Hand“. Dass die Aufnahme von Rugby ins olympische Programm nun verhandelt wird, führt Himmer auf die Aussöhnung der lange Zeit zerstrittenen Internationalen Rugby-Verbände zurück. Wichtiger erscheint indes die sportliche Vergangenheit des IOC-Präsidenten: Jacques Rogge war einst belgischer Rugby-Nationalspieler. Himmer hat „Hinweise darauf, dass wir olympisch werden“, aber er mag sich nicht mit einem Neuanfang schon 2008 in Peking anfreunden: „In China spielt keiner Rugby, das ist nicht gut für uns.“.

Eigentlich ist eine Änderung des Programms für 2008 ausgeschlossen. Laut olympischer Charta müssen derartige Beschlüsse bereits sieben Jahre vor den Spielen gefasst worden sein. Deswegen wird über eine Aufnahme neuer Sportarten erst bei der nächsten Session in Prag abgestimmt werden. Vorerst könnten nur einzelne Disziplinen wie Kanuslalom gestrichen werden. Und doch verweist Baar darauf, dass „die olympische Familie sich nur einig werden muss“, dann gebe es schon in Mexiko Ausnahmemöglichkeiten. „Ohne Bewegung geht es nicht“, sagt Baar. „Das hat bereits der Erfolg in neuen Disziplinen wie Beachvolleyball gezeigt.“ Baar weiß den IOC-Präsidenten in diesem Punkt an seiner Seite. Auch bei Olympia gilt der Leitsatz: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Nicht nur die Fünfkämpfer sollten sich sorgen.

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