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Sport: Operation Fernschuss

Hollands herausragender Stürmer Ruud van Nistelrooy kämpft vor dem Spiel gegen Lettland gegen seine Schwäche an

Wenn das Training der holländischen Fußball-Nationalmannschaft zu Ende geht, bewegt sich Ruud van Nistelrooy ein letztes Mal Richtung Strafraum. Für den Stürmer beginnt dann ein spezielles Fortbildungsprogramm. Von jenseits der Strafraumlinie tritt er die Bälle aufs Tor. Bei Manchester United, seinem Verein, macht er das nach jeder Einheit, exakt fünfzig Mal. Van Nistelrooy, einer der besten Stürmer der Welt, erzielt seine Tore immer nur aus dem Strafraum heraus. Das heißt: Von außerhalb des Strafraums trifft er nicht. Gegen diese Schwäche aber kämpft er an. „Ich finde, dass ich jedes Jahr besser werde“, sagt van Nistelrooy. Jetzt weiß man wenigstens, warum.

Wie Ruud van Nistelrooy funktioniert, war im Spiel gegen Tschechien zu beobachten: Nachdem er im Strafraum umgestoßen worden war, stand er auf, ging gemächlich in Richtung eigene Hälfte zurück. Selbst als sein Team den Ball eroberte, wurde er nicht schneller. Andere Stürmer hätten sicherlich versucht, so schnell wie möglich aus dem Abseits herauszukommen; van Nistelrooy aber verharrte dort, was im nächsten Moment bedeutete, dass er völlig frei war, als nicht er, sondern Arjen Robben den Ball bekommen hatte. Robben passte den Ball in die Mitte, van Nistelrooy erzielte das 2:0.

Es gibt Stürmer, die schneller laufen, geschickter dribbeln, präziser schießen. Aber davon abgesehen, dass van Nistelrooy alles kann außer Weitschüssen, zeichnet ihn eine ungewöhnliche Cleverness aus. Seinen Gegenspielern ist er meist einen Schritt voraus. Im ersten EM-Spiel traf er sogar „mit einem Deutschen auf dem Rücken“, wie eine holländische Zeitung den Zweikampf mit Christian Wörns vor dem 1:1 beschrieben hat.

Zwei Tore hat Ruud van Nistelrooy in den beiden EM-Gruppenspielen für die Holländer erzielt. Er ist der herausragende Stürmer seines Teams, und man mag es kaum glauben, dass einer der erfolgreichsten Torschützen Europas in seiner Nationalmannschaft erst seit einigen Monaten unumstritten ist. Noch vor einem Jahr war er über die ständigen Auswechslungen so erbost, dass er beim Qualifikationsspiel in Tschechien eine Wasserflasche Richtung Bondscoach Dick Advocaat kickte und für die folgende Begegnung suspendiert wurde.

Für den 27-Jährigen ist die EM das erste große Turnier seit der U-21-EM vor sechs Jahren. Bei der Europameisterschaft 2000 fehlte er wegen eines Kreuzbandrisses, zwei Jahre später verpasste Holland die Qualifikation für die WM in Japan und Südkorea. Die EM in Portugal sollte sein Turnier werden, doch jetzt droht den Holländern bereits nach der Vorrunde das Aus. „Das kann noch nicht das Ende sein“, sagt van Nistelrooy. Wenn die Tschechen allerdings heute gegen Deutschland verlieren, haben die Holländer keine Chance auf den Einzug ins Viertelfinale – egal, wie viele Tore van Nistelrooy zur selben Zeit gegen Lettland schießt.

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