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Von vorne weg. Oscar Pistorius enteilt der Konkurrenz und ist nach seinem Olympiastart der Held der Paralympics.

© dpa

Oscar Pistorius: Plötzlich neben der Bahn

Oscar Pistorius wird bei den Paralympics gefeiert, läuft Weltrekord - und verliert dann sensationell im Finale: „Die Begeisterung der Zuschauer unterscheidet sich in nichts von der bei Olympia“, sagt der Südafrikaner, der bei beiden Spielen mitgelaufen ist.

Er macht das wie Usain Bolt. Rennt vorneweg vor allen, nimmt vorm Ziel noch Geschwindigkeit raus – und läuft trotzdem mal locker Weltrekord, und das im Vorlauf: Oscar Pistorius, Südafrikaner, inzwischen als „Blade Runner“ der weltweit bekannteste Läufer ohne Beine, begeistert bei den Paralympics in London. Mit 21,30 Sekunden über 200 Meter unterbot er seine eigene Bestzeit um fast eine halbe Sekunde (21,76). „Viele haben geunkt, ich würde nach meinem Antritt bei Olympia die Paralympics womöglich nicht mehr ernst nehmen“, sagte Pistorius dem Tagesspiegel nach dem Lauf, „ich habe das Gegenteil bewiesen.“ Aber Weltrekord im Vorlauf, „damit habe ich selber nicht gerechnet“. Ebenso wenig hatte Pistorius allerdings mit dem gerechnet, was ihm am Sonntagabend im Finale über 200 Meter widerfuhr. Da siegte nämlich sensationell der Brasilianer Alan Fonteles Cardoso Oliviera in 21,45 Sekunden vor eben Pistorius (21,52). An der Popularität des Südafrikaners dürfte das allerdings nichts ändern.

Kaum stakste Pistorius, dem im Alter von elf Monaten wegen einer angeborenen Behinderung die Unterschenkel unterm Knie amputiert wurden, mit seinem grüngelben Trikot ins ausverkaufte Stadion, brandete Applaus auf. „Die Begeisterung unterscheidet sich in nichts von der bei Olympia“, sagt der mehrfache Goldmedaillengewinner. Seine Tour an den TV-Kameras vorbei dauert länger als all seine 100, 200 und 400 Meter-Läufe zusammen. Die Zuschauer jubeln im täglich ausverkauften Stadion fast lauter als ein startendes Flugzeug, aber dann dimmen sie alle kurz auf Null runter. Startschuss, Beschleunigung, die Euphorie peitscht die Sportler ins Ziel.

Jahrelange Studien für den Sportgerichtshof Cas haben ergeben, dass Pistorius beim dynamischen Abstoß am Block gegenüber Nichtbehinderten benachteiligt ist, in den Kurven kann er kein Fußgelenk abknicken, dafür ermüden nur die – besonders strapazierten – Oberschenkel. Das Urteil bedeutet in Kurzform: Pistorius hat keinen Vorteil gegenüber Sprintern mit Beinen. „Ich will mich einfach mit den Besten in meiner Disziplin messen, ich bin Leistungssportler, deswegen will ich zu Olympia“, hat Pistorius einmal erzählt. Dann musste er aber in London doch gegen viel Skepsis anlaufen und gegen manch höhnischen Kommentar im englischen Privatfernsehen. Dagegen erklärte der „London Evening Standard“ den von Frauen umschwärmten Paralympics-Star und Titelbildhelden aus Südafrika zum „Vorläufer gegen die Behinderten-Apartheid“.

Bei seiner Lieblingsdisziplin in seiner Startklasse T 44 bei den Paralympischen Spielen, den 400 Metern, beginnen die Vorläufe am Freitag. Bei Olympia hat er da das Halbfinale erreicht, das war sein Ziel, auch wenn er hinterherlief, die ganze Aufregung und der Rummel um seine Person waren „doch überwältigend“. Bei den Paralympics ist die Konkurrenz stärker geworden, weil weltweit mehr bessere Läufer rekrutiert werden. Pistorius macht aber am Rande der Spiele selbst auf die Gefahr des so genannten Techo-Doping aufmerksam. Er läuft mit einem Modell von 2004, das seit 1996 auf dem Markt ist. Doch ihm fällt auf, dass „einige Läufer vor kurzem noch kleiner waren als ich, nun sind sie wegen längerer Prothesen plötzlich größer“.

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