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Ost-, Ost-, Ostdeutschland!: Saisonstart für die Eisbären - und ihre Fans

Sonderzüge aus Putlitz, Busse aus Dresden: Die Eisbären gewinnen außerhalb Berlins immer mehr Fans. Die meisten kommen aus dem Berliner Umland, manche aber auch aus dem Westen.

Berlin - 126 Kilometer liegen zwischen dem Vereinslokal der „Putlitzer Eisgänse“ und der großen neuen Arena im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Eine lachhafte Entfernung für die Putlitzer Anhänger der Eisbären. Sie kämen auch mal mit einem kleinen Sonderzug der Bahn nach Berlin, sagt Fanklub-Mitglied Jens Waldmann. „Dann sind wir 50 Leute aus Putlitz“. Im Regelfall komme der feste Stamm aus der altmärkischen Kleinstadt zu den Eisbären, zehn bis zwölf Leute, erzählt Waldmann.

Die Eisbären sind nicht nur eine Berliner, sondern auch eine ostdeutsche Liebe, Moritz von Uslar streift das Thema in seinem Roman „Deutschboden“, der sich auf Beobachtungen des Autors in der brandenburgischen Kleinstadt Zehdenick stützt. Im Zehdenicker Stammlokal des Autors ist der erfolgreiche Berliner Eishockeyklub kurz Thema – als ein Stück Ost-Identifikation. Der fünfmalige Deutsche Meister Eisbären vereint zwei Dinge: Er kommt aus dem Osten und ist erfolgreich. Damit hat er eine Entwicklung hingelegt, die etwa im Fußball nicht ein Ostklub nach der politischen Wende geschafft hat.

Die Geschichte des Klubs spielt bei den Fans außerhalb Berlins eine große Rolle, der Fanklub „Ostblock Stendal“ trägt sie sogar im Namen. Jens Waldmann von den Putlitzer Eisgänsen würde im Leben nicht zu den Hamburg Freezers oder zum EHC Wolfsburg fahren, obwohl das ja von Putlitz auch nicht viel weiter als Berlin ist. „Da fehlt einfach der Bezug, das Ostberlin-Ding hat besonders in den Neunzigerjahren eine Rolle gespielt, damit konnte man sich identifizieren.“ Inzwischen allerdings lasse er sein „Dynamo-Trikot“ im Schrank. „Die Sache mit dem Osten wird abnehmen“, glaubt er. „Besonders bei den jüngeren Leuten.“ Auch René Jahn aus Dresden glaubt, „dass das Ostding eine Rolle spielt, das ist Kult, auch der alte Name Dynamo.“ Die Eisbären seien beispielhaft im Profisport in Deutschland. Nach der Wende hätten die klein angefangen und nun seien sie ganz groß.

Lesen Sie auf Seite 2, welche Rolle der Umzug in die neue Großarena für die Fans spielt.

Dass das Geld für den Erfolg aus den USA kam, von Investor und Klubeigner Philip Anschutz, interessiert die Fans im Normalfall weniger. Zumindest haben sich die Eisbären mit ihrem Kult ja auch interessant gemacht für Anschutz. René Jahn aus Dresden sagt: „Ich habe eine absolute Hochachtung vor der Entwicklung des Klubs.“ Er hat sie mitgemacht, Jahn ist seit einem Vierteljahrhundert Fan. Als Soldat war er zu DDR-Zeiten in Berlin, schon 1987 war er im Sportforum bei Spielen des Vorgängerklubs Dynamo zu Gast. Jahn ist damit aber eine Ausnahme in Dresden. Viele seien erst mit dem Umzug in die neue Arena aktive Fans der Eisbären geworden, sagt er. „Da bekommt man eben einfacher Tickets als früher für den Wellblechpalast und da kann man die Auswärtsreisen besser planen“, sagt Jahn. 30 bis 70 Eisbären-Fans kommen im Schnitt zu den Heimspielen aus Dresden und Umgebung, es gab auch schon Sonderbusse.

Spätestens mit dem Umzug in die neue Arena vor drei Jahren haben die Eisbären verstanden, das Interesse vieler Menschen im Osten für sich zu nutzen und zu steigern. In der Saisonvorbereitung tingeln sie mit ihrem Team seit ein paar Jahren durch die ostdeutsche Provinz, hatten zudem sportliche Kooperationen mit Dresden und Crimmitschau. Auch werden Tickets in ostdeutschen Bundesländern bei einem Discounter angeboten, in Dresden schon länger, dieses Jahr sogar auch in Rostock. Allein im vergangenen Jahr konnten die Eisbären in Dresden 100 Gutscheine für die ersten Heimspiele absetzen. Das ist kein Erdrutsch, aber in der Summe mit den anderen Verkaufsorten komme viel zusammen, erzählt Billy Flynn. „Über 30 Prozent unserer Zuschauer bei den Heimspielen kommen inzwischen von außerhalb und da vor allem aus Brandenburg, Mecklenburg und Sachsen“, sagt der Eisbären-Geschäftsführer. „Und die Tendenz ist steigend.“ Das müsse man sich bei den Eisbären so ähnlich wie bei den großen Fußball-Bayern aus München vorstellen. „Da kommen ja die Zuschauer auch nicht vorrangig aus München.“

Rund 20 organisierte Fanklubs haben die Eisbären, aber zudem gebe es noch viele Fanklubs, die lieber für sich alleine „rumwurschteln“, sagt Susanne Wegener vom Fanbeirat. Es sind seit dem Umzug etliche dazugekommen, erst kürzlich hätten sich drei neu gegründet. „Leider allesamt mit Ostbezug im Namen“, sagt Wegener. „Leider, weil die Eisbären inzwischen ein Gesamtberliner Verein sind. Aber das schlägt sich in dem Bereich noch nicht nieder.“ Wegener weiß aber auch, „dass es Bestandteil der Eisbären ist, dass sie sich als Ostklub hochgerappelt haben. Das schafft eben Identifaktion und nützt uns.“

Es gibt sie dann aber doch, die Eisbären-Fans aus dem westlichen Teil der Republik. Etwa im Fanklub Bärentatzen, der hat Mitglieder aus Kassel, Düsseldorf – und sogar Mannheim. Erfolg macht eben Fans, zum kleinen Teil auch ohne Osten.

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