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Sport: Ottmar Hitzfeld: Tausche Stress gegen Langeweile

Es war ein Tag im Sommer, im Trainingslager der Münchner Bayern - und Ottmar Hitzfeld dachte freimütig über den Beruf des Nationaltrainers nach. Er dachte laut nach: "Eigentlich", sagte der Fußball- und Mathematiklehrer, "ist das eine etwas langweilige Angelegenheit.

Es war ein Tag im Sommer, im Trainingslager der Münchner Bayern - und Ottmar Hitzfeld dachte freimütig über den Beruf des Nationaltrainers nach. Er dachte laut nach: "Eigentlich", sagte der Fußball- und Mathematiklehrer, "ist das eine etwas langweilige Angelegenheit. Man kommt nur zehn Mal im Jahr zusammen, ist eingezwängt in ein unheimlich enges Terminkorsett. Bei den Bayern wird einfach mehr von mir verlangt. Der Druck, der Stress und der Aufwand im Job sind viel größer."

Doch an diesem Morgen im nordhessischen Friedewald, da Christoph Daum noch in Leverkusen im Amt ist und als Hoffnungsträger für die angeschlagene DFB-Auswahl gilt, fallen auch Sätze, die im nachhinein wie ein schicksalhaftes Orakel klingen: "Ich bin keiner, der zehn Jahre vorausdenkt und sagt: Dann muss ich Bundestrainer sein. Wenn es passiert, dann passiert es eben. Für mich kam es immer darauf an, für kurzfristige Erfolge bei meinen Klubs zu sorgen. Alles Weitere war eine Frage der Logik."

Wo steht der erfolgreichste Trainer der 90-er Jahre? Hitzfelds Verweigerung nach der desaströsen Europameisterschaft war logisch. Weil er wusste, dass er aus seinem bis 2003 laufenden Vertrag beim FC Bayern nicht herausgekommen wäre, trug er kluge, passende Argumente für seine Ablehnung vor. Doch ein zweites Mal will er nicht so einfach passen. Hitzfeld, der nicht gern über sich reden lässt, redet nun selbst. Die Münchner Avancen einer vorzeitigen Vertragsverlängerung hat er abgewehrt und eine kaum verhüllte Bewerbung für das wichtigste Amt in Fußball-Deutschland vorgetragen: "Ich kann mir schon vorstellen, dass ich Bundestrainer sein könnte", sagte Hitzfeld dem "Spiegel". In Bremen, nach dem 1:1 der Bayern beim alten Rivalen Werder, setzte er nach: "Es wäre eine neue und ganz andere Herausforderung, diese Arbeit zu machen. Es wäre der Reiz, Spieler in ganz kurzer Zeit für die wichtigsten Spiele überhaupt vorzubereiten."

Es wäre natürlich auch der Abschied aus dem Tagesgeschäft Fußball für Hitzfeld. Einem Tagesgeschäft, das ihm in der Affäre Daum noch fremder geworden ist: "Das Ausmaß dieser Lawine hat mich doch geschockt", sagte er dem "Spiegel". Im kleinen Kreis verriet er am Wochenende, "dass die Branche dabei ist, jegliche Würde zu verlieren. Alle Werte stehen zur Disposition." Würde es da wundern, wenn Hitzfeld innerlich längst dem Werben nachgegeben hat und bereit und willens wäre, als Bundestrainer die Deutschen ins Heimspiel 2006 zu führen - ohne Qualifikationsstress, ohne tägliche Dauerbeobachtung der Medien im Big-Brother-Fußballcontainer? "Zehn Spiele im Jahr reichen, wenn man älter wird", sagt Hitzfeld jetzt.

Ändern würde sich für ihn auch als Nationaltrainer nichts, glaubt Hitzfeld: "Ich habe immer hohe persönliche Ziele gehabt, und ich war bei Vereinen unter Vertrag, die ihrerseits hohe Ziele hatten." Diese "ideale Kombination" hätte für ihn auch beim DFB Bestand, mit der konsequenten Vision eines Titelgewinns im fernen Jahr 2006. Hitzfeld weiß, dass er vermutlich als einziger Kandidat nach einer Übergangs-Amtszeit des letztlich unerfahrenen Rudi Völler mit Bonus ins Rennen gehen würde, zudem gewollt und gedeckt vom allmächtigen Chef des Organisations-Komitees, seinem jetzigen Klubchef Franz Beckenbauer. Gerhard Mayer-Vorfelder, wenn denn überhaupt jemals DFB-Präsident, dürfte das alles sowieso nur abnicken.

Hitzfeld hätte seine Gedankenspiele nie öffentlich gemacht, wenn er seine Laufbahn nach den bestechenden Amtsperioden in Dortmund und München nicht doch pünktlich zur Fußball-Weltmesse 2006 als Bundestrainer krönen wollte. Die, die ihn kennen, wissen das genau. Aber noch weiß keiner, wann genau der Gentleman seinen Dienst beim DFB antreten wird. Wenn, dann muss Hitzfeld ein Interesse haben, so früh wie möglich zum Verband zu wechseln, am besten nach der WM 2002. Jeder spätere Wechsel würde seine Position im Verein massiv schwächen, er wäre das, was in der Politik "lame duck" genannt wird, eine lahme Ente.

Jörg Allmeroth

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