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Marianne Buggenhagen beim Kugelstoßen in London 2012.

© dpa

Paralympics in Rio 2016: Marianne Buggenhagen bestreitet ihre letzten Paralympics

Marianne Buggenhagen hat neunmal Gold gewonnen, etliche Titel dazu. Die Paralympics in Rio werden die letzten Spiele der 63-Jährigen sein.

Von Ronja Ringelstein

Die Frau mit dem weißen Bürstenhaarschnitt trainiert in Krafträumen, täglich. Doch ihren wichtigsten Kraftraum, den hat sie immer dabei. Irgendwo in ihr. Aus dem zehrt sie nun schon seit 27 Jahren. So lange ist die Berlinerin Marianne Buggenhagen im Leistungssport aktiv. Sie fing in einem Alter an, in dem andere damit aufhören. Heute ist sie 63 Jahre alt – die älteste deutsche Athletin bei den Paralympics in Rio.

Seit ihrer ersten Teilnahme 1992 holte sie neun Goldmedaillen und etliche Welt- und Europameistertitel. An diesen Samstag wird sie ihre Kraft wieder über ihren rechten Arm entladen, beim Diskuswurf. Es wird das letzte Mal sein. Marianne Buggenhagen ist müde.

Die neuen Regeln kosten sie drei Meter

Um sie herum im paralympischen Dorf würden alle nur auf ihre Smartphones gucken, erzählt Buggenhagen. „Ich könnte ja die Großmutter der meisten hier sein“, sagt sie: „Ich kann nicht mehr weiter.“ Doch der Ehrgeiz verschwindet bei einer solchen Ausnahmesportlerin nicht einfach. Buggenhagen will mit einer guten Leistung aufhören: „wenn nichts Gravierendes passiert, hole ich eine Medaille.“

Normalerweise ist ihr die sicher. Ihr Weltrekord liegt bei 27,80 Meter im Diskuswurf, doch diese Reichweite wird sie nicht mehr schaffen. „Vor zwei Jahren wurden die Regeln geändert – ich muss jetzt so am Rollstuhl fixiert sein, dass ich meinen Po nicht mehr heben kann.“ Das kostet sie drei Meter – und ärgert sie. „Ich trainiere doch, um zu zeigen, was ich kann. So werde ich in meinem Sport behindert“, sagt Buggenhagen.

Auch wegen solcher Ärgernisse ist sie froh, den Profisport hinter sich zu lassen. Diskuswurf ist ihre Lieblingsdisziplin. Nachdem das Internationale Paralympische Komitee (IPC) Diskuswurf vor den Paralympics 2012 in London aus dem Programm gestrichen hatte, holte Buggenhagen Silber im Kugelstoßen. „Im Diskuswurf hätte ich Gold geholt“, hatte sie damals gesagt.

Ohne Sport wäre sie im Pflegeheim gelandet, glaubt sie

Gebürtig in Ueckermünde, wurde sie in der DDR nach Berlin geschickt und war Volleyballerin beim SC Dynamo, mit mäßigem Erfolg. Ihre richtige Karriere begann erst nach einem Bandscheibenvorfall, der, als sie 23 Jahre alt war, zu einer Querschnittlähmung führte. Der Leistungssport gab ihr Kraft. „Wenn ich den Sport nicht gehabt hätte, wäre ich im Pflegeheim gelandet oder asozial geworden“, schrieb sie in ihrer Autobiografie.

Inzwischen tragen zwei Schulen für Körperbehinderte ihren Namen, sie ist Ehrenbürgerin ihrer Heimatstadt. Seit 1991 arbeitet sie als Ergotherapeutin im Berliner Klinikum Buch mit Menschen, die nach Unfällen auf den Rollstuhl angewiesen sind.

In Rio startet sie spät – am vorletzten Wettkampftag. Es war schwer für sie, bei der Hitze die nötige Spannung zu halten. Bis vor einem Vierteljahr sei sie noch „topfit“ gewesen. Doch sie merkt, dass die Kräfte schwinden. Mit ihrem Mann habe sie jeden Tag im Kalender weggestrichen. Ein letztes Gold, das ist der Wunsch. „Ich freue mich auf die Zeit danach. Dann muss ich im Urlaub nicht mehr nach Krafträumen suchen“, sagt Buggenhagen und lacht. Auch in der Erschöpfung bleibt sie fröhlich. Ihren inneren Kraftraum wird sie behalten.

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