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Paralympics Rio 2016: Edina Müller: "Ich vermisse Basketball gar nicht"

Sie ist Goldmedaillen-Gewinnerin im Basketball. Heute geht sie mit dem Kanu an den Start - und ist wieder Medaillenhoffnung. Edina Müller im Interview.

Von Ronja Ringelstein

Die 33-jährige Hamburgerin Edina Müller ist ursprünglich Rollstuhl-Basketballerin. Nachdem sie 2014 angekündigt hatte, sich aus dem Prof-Basketball zurückzuziehen, begann sie 2014 mit dem Parakanufahren. Parakanu ist in diesem Jahr das erste Mal paralympisch. Müller ist seit 2000 durch eine Schädigung am Rückenmark querschnittgelähmt. Als Diplom-Sporttherapeutin arbeitet sie in einer Hamburger Klinik. Das Rennen über 200 Meter startet am Mittwoch um 14 Uhr MEZ.

Frau Müller, Sie gehen relativ spät in Rio an den Start, am 7. Wettkampftag. Wie war die Zeit hier bis jetzt?

Lang! Wir waren ja am 1. September schon hier. Da muss man extrem die Spannung halten, deshalb waren wir jeden Tag draußen. Wir sind immer sehr früh auf der Strecke in Lagoa gewesen. Es war recht praktisch, denn die eigentliche Strecke ist wie ein großes Binnengewässer. Und hinten ist auch noch ein Bereich, in dem man trainieren kann. Als die Ruderer dort ihre Wettkämpfe hatten, war es dann ein bisschen schwieriger mit dem Training.

Ihr Rennen ist nach brasilianischer Uhrzeit um 9 Uhr morgens. Was ist vorher wichtig?

Das einzig Gute an dieser Uhrzeit ist, dass man vorher nicht viel Zeit hat, um darüber nachzudenken. Ich werde natürlich recht früh da sein. Aber ich bin dann wie in einem Tunnel und nur für mich. Ich kann das nicht haben, wenn mir die Leute noch zu viel erzählen.

Bei Ihren letzten Paralympics vor vier Jahren gab es noch Gold im Basketball. Dieses Jahr haben Sie schon Gold in der WM und EM Parakanu über 200 Meter geholt. Holen Sie sich jetzt Gold im Parakanufahren?

Ich gehe da ganz selbstbewusst in das Rennen rein. Ich bin mit 0,19 Sekunden Vorsprung Weltmeisterin geworden – das ist ein sehr enges Feld. Das kann am Ende auch anders ausgehen. Aber eine Medaille ist definitiv im Bereich des Möglichen.

Was wird schwierig auf der Strecke?

Was an der Strecke ungünstig ist, ist der Wind. Der ändert sich unglaublich schnell, dann schlagen die Wellen plötzlich extrem hoch. Aber da kann man nichts machen. Im Training kann das Wasser noch total glatt sein und zwei Stunden später ist es dann ganz anders. Man muss das dann mit dem versuchen Boot auszugleichen. Aber im Rennen ist das schon ungünstig. Ich habe ja sehr limitierte Möglichkeiten mit meiner Oberkörperstabilität. Aber wenn ich das Paddel kräftig aufs Wasser schlage, kann ich mich so abstützen.

Sie werden das erste Mal bei Paralympics alleine an den Start gehen. Früher waren sie immer im Team. Fehlt Ihnen das gar nicht?

Nein, ich vermisse das Basketballspielen im Team überhaupt nicht. Im Trainingsalltag ist es eh kaum anders, da hab ich auch mein Team und wie verstehen uns super. Im Training arbeitet man da sehr eng zusammen. Du fährst zusammen raus, misst dich aneinander. Aber klar, im Wettkampf ist es schon etwas anderes. 

Inwiefern?

Was einerseits positiv, aber auch negativ ist: Du bist im Kanu ganz alleine an der Startlinie auf die 200 Meter. Du hast dann nur deine Zeit auf deiner Strecke. Kein Schiedsrichter, der das Spiel verpfeift, kein Trainer, der vielleicht einen Fehler gemacht hat. Nur du bist für deine Zeit verantwortlich.

Das muss im Training auch sehr anders sein.

Mir kommt es sehr entgegen, wie trainiert wird. Die Trainingssessions sind intensiver als im Rollstuhlbasketball. Man merkt das immer am Ende der Woche im Energiehaushalt. Außerdem kann ich alles mit meinem Trainer besser planen, auf meine Tagesform eingehen. Das kommt mir natürlich sehr entgegen. Im Team musst du ja immer mit, da geht es nicht nach dir.

Die ehemalige Gold-Schwimmerin Kirsten Bruhn ist eine Freundin von Ihnen. Sie hatte auch Interesse am Kanufahren geäußert...

Wir haben zwar noch nichts konkret ausgemacht, aber ich nehme sie nach Rio mit zum Rennkajakfahren bei mir. Wir sind schon verabredet. Wenn das hier vorbei ist, werden wir das ganz entspannt planen.

Parakanutin Edina Müller geht am Mittwoch bei Olympia über die 200 Meter an den Start.
Parakanutin Edina Müller geht am Mittwoch bei Olympia über die 200 Meter an den Start.

© dpa/Weihrauch

Sie hatten schon immer eine Affinität zu Wasser, sind auch leidenschaftliche Taucherin. Kam daher der Wechsel 2014?

Ich habe in dem Jahr vor der WM bekanntgegeben, dass ich die internationale Basketballkarriere beende, unabhängig vom Ausgang der WM. Kajak habe ich mit meinem Freund in der Freizeit gefahren. Wir haben ein Wandertourenboot und ein recht großes Faltboot. Durch meine Arbeit kam ich dann darauf, auch mal das Kanufahren auszuprobieren. Ich arbeite ja mit Querschnittgelähmten zusammen. Ich ermuntere sie, einfach mal Sportarten auszuprobieren. Dann habe ich eben selbst Parakanu ausprobiert. Und wurde sehr schnell sehr gut aufgenommen. Jens Kröger,

…ihr Trainer in Hamburg…

der eigentlich Jugendarbeit macht, ist immer mit mir rausgefahren – obwohl das wirklich nicht die beste Zeit dafür war. Das war im kalten Oktober 2014, und dann den ganzen Winter über. Ich hab die ganzen kalten Monate mitgenommen!

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie wirklich wieder Leistungssport, diesmal mit dem Kanu, machen wollen?

Ich habe es gemerkt, als wieder eine Spannung vor einem Rennen da war - ich bin da ganz anders aufgeregt gewesen. Die Sichtung für die Nationalmannschaft im April 2015 war das erste Rennen, wo ich gemerkt habe, dass ich das echt will, und dass das funktioniert.

Inzwischen ist die erste Hälfte der Spiele um – wie empfinden sie die Stimmung in Rio?

Die Stimmung ist sehr gut. Wir haben die deutsche Ruder-Mannschaft in Lagoa schon angefeuert. Und die Zuschauer haben die Ruderer auch angefeuert und sind nach dem Rennen noch total mitgegangen – und die Ränge waren voll!

Edina Müller im August bei der Einkleidung der deutschen Sportler für die Paralympics in Rio.
Edina Müller im August bei der Einkleidung der deutschen Sportler für die Paralympics in Rio.

© dpa/Gollnow

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