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Die dritte Medaille. Malone nach seinem Sieg über 400 Meter.

© AFP/Simon

Paralympische Spiele in Rio 2016: Liam Malone ist der neue Sprintstar

Einmal Silber, zweimal Gold: Der Neuseeländer Liam Malone hat in Rio über 100, 200 und 400 Meter abgeräumt.

Wobei hat Liam Malone nicht schon seine Beine verloren? Mal hat sie ihm ein Hai abgebissen, mal hat er sie sich in einem Gletscher abgefroren, je nach seiner Laune während des Interviews. Der 22-jährige Läufer aus Neuseeland langweilt sich schnell; seine schulterlangen Haare verleihen ihm die Lässigkeit eines Surfers. Noch vor seinem diesjährigen Paralympics-Debüt versprach er, mit Leichtathletik nach den Spielen aufzuhören. Er wolle sich dann vollkommen auf seine andere Berufung konzentrieren: Stand-Up-Comedy. Kein Scherz.

Ob Liam Malone sein Wort halten wird oder nicht, an seinen Ausflug in den Leistungssport wird man sich noch für lange Zeit erinnern. Er holte drei Medaillen in seinen drei Disziplinen, Silber für 100, Gold für 200 und 400 Meter. Bei seinem 200-Meter-Lauf stellte er einen neuen Weltrekord auf – indem er den von Oscar Pistorius brach. Lange war der südafrikanische Sprinter Liams Vorbild, jetzt hat er ihn besiegt. Noch als kleiner Junge erhielt Liam Ratschläge von Oscar Pistorius in langen Skype-Gespräche. Vielleicht spürte der Profi schon damals, was Liam einmal erreichen könnte. Geboren mit der gleichen Krankheit, einer Unterentwicklung der Wadenbeinknochen, wurden auch Liam schon früh die Unterschenkel amputiert, mit 18 Monaten.

Snowboard, Mountainbiking, Rugby - als Schüler übte er viele Sportarten aus

Doch Liam Malone wollte lange kein Leichtathlet werden. Wie Pistorius übte er als Schüler lieber diverse andere Sportarten aus – Snowboard, Mountainbiking, Rugby; heute geht er in seiner Freizeit Fallschirm springen. „Liam machte alles, was seine Freunde machten, nur besser. Beim Mountainbiking war er der Schnellste, beim Snowboardfahren hat er alles zerstört“, sagte eine Freundin des Sportlers einer neuseeländischen Zeitung. Zwar rannte er schon mit 14 Jahren gegen andere behinderte Kinder aus Neuseeland, doch verlor er schnell das Interesse. Er wollte sich nicht eingestehen, dass er behindert ist, wollte sich lieber mit nichtbehinderten Kindern messen.

Vor vier Jahren änderte sich das. Wie Pistorius verlor Malone seine Mutter früh, sie starb als er 18 Jahre alt war. Der lebensfrohe Junge war plötzlich orientierungslos. Der Leistungssport gab ihm neues Ziel, eine neue Richtung. In der Nacht, in der Liam seine Silbermedaille auf 100 Meter gewinnt, schreibt er auf Instagram: „Vor etwas mehr als vier Jahren verlor meine Mutter ihren sechsjährigen Kampf gegen den Krebs. Gestern wäre ihr Geburtstag gewesen. Alles Gute, Mama, das hier ist für dich.“

Ein Jahr nach ihrem Tod, 2013, begann er für die Paralympics zu trainieren. Doch er wusste: Ohne die richtige Ausrüstung geht im Behindertensport gar nichts. In einem Fernseh-Interview erzählte er von seiner Absicht, in Rio zu starten und begann damit, Geld für Prothesen zu sammeln. Viel Geld. Über einen Aufruf zum Crowdfunding erhielt er 20,000 Dollar; die Neuseeländer wollten ihn gewinnen sehen. Seine Wettkampfprothesen nennt er „Blades“ – Klingen – in Anlehnung an Oscars Titel: „Blade Runner“.

Pistorius hat viele Athleten inspiriert: David Behre sah ihn nach seinem Unfall rennen und wusste, dass er das auch will. Auch der Brite Johnnie Peacock und der südafrikanische Olympionike Wayde van Niekerk kamen durch Pistorius zum Sport. Doch Oscar Pistorius sitzt jetzt im Gefängnis, als verurteilter Mörder.

Wenn die Paralympics massentauglich bleiben wollen, brauchen sie neue Helden. Athleten, die nicht nur sportlich, sondern auch charakterlich überraschen, fesseln, inspirieren.

Jonathan Fridman

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