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Positiv gestimmt: Pascal Wehrlein, 24, der nun für Ferrari im Simulator sitzt.

© Formula E/Boris Streubel

Pascal Wehrlein: "Mein Ziel ist und bleibt die Formel 1"

Pascal Wehrlein hofft auf eine Rückkehr in die höchste Motorsportserie. Momentan fühlt er sich aber in der Formel E wohl - und im Simulator von Ferrari.

Von Sabine Beikler

Herr Wehrlein, erinnern Sie sich an Ihren Satz: Ich würde gern in die Formel 1 so schnell wie möglich, das will jeder?

Habe ich den gesagt? Ich erinnere mich dunkel.

Sie sagten diesen Satz im Oktober 2015, als Sie den DTM-Titel als jüngster Champion mit 21 Jahren gewonnen hatten.

Ich habe den Titel am 17. Oktober mit 20 Jahren gewonnen, am nächsten Tag wurde ich 21. Ja, der Satz hat immer noch seine Gültigkeit. Aber die Umständen müssen passen. Ich brauche ein gutes Team, mit dem ich auch meine Leistung zeigen kann. Das habe ich jetzt in der Formel E. Im Mahindra-Team passt einfach alles. Und es macht mir wahnsinnig Spaß Formel E zu fahren mit einem konkurrenzfähigen Auto.

Sie traten von 2013 bis 2015 in der DTM an, wechselten in die Formel 1 zu Manor und Sauber, kehrten 2018 zu Mercedes in die DTM zurück und starteten 2019 in der Formel E. Warum war der Ausflug in die Formel 1 so kurz?

Es war eine Megazeit in der Formel 1. Bei Manor hatte ich als einziger Fahrer Punkte geholt. Das Auto war nur leider zu langsam. Bei Sauber konnten wir mit einem Vorjahresmotor am Anfang mithalten. Aber es wurde während der Saison schlechter. Trotzdem hatte ich fünf Punkte geholt. Für die Umstände waren die Ergebnisse gut. Aber ich möchte natürlich vorne mitfahren. Und klar, es ist mein Ziel wieder in der Formel 1 zu fahren. Nur müssen Team und Auto passen.

Was braucht man als Fahrer, um bis in die Formel 1 zu kommen?

Man braucht Talent, Glück und vor allem Förderer. Ohne Talent geht es nicht. Das dürfte klar sein. Auf dem Markt gibt es viele sehr gute Fahrer. Und ein Teamchef muss entscheiden, wer das Cockpit bekommt. Da kann Glück eine Rolle spielen. Ich hatte auch kein eigenes finanzielles Budget, das ich mitbringen konnte und war auf Förderer angewiesen. Und niemand hatte mir ein Cockpit gekauft wie das bei anderen der Fall war. Ein Beispiel: In der Formel 3 redet man von einem Budget von einer halben Million Euro pro Saison. Ohne Sponsoren geht das nicht. Aber genau in der Formel 3 macht man sich für den Profi-Rennsport interessant. Wer sich da gut schlägt, hat Chancen später mit Rennsport wirklich Geld zu verdienen.

Nach zwei Jahren Formel 1 gingen Sie zu Mercedes in die DTM zurück, obwohl bekannt war, dass Mercedes mit dem Ende der Saison 2018 aus der DTM aussteigen würde. Das war ein Karriereknick.

Tourenwagen zu fahren war nicht meine Option. Ich wäre gern in einem Formel-Auto geblieben. Ich komme aus dem Formelsport. Und deshalb habe ich mich auch für die Formel E entschieden. Ich möchte ein offenes Cockpit haben, den Fahrtwind mit 250 km/h spüren. Die Formel-Autos sind kleiner und agiler. Das ist im Vergleich so, wie wenn Sie im Straßenverkehr Sportwagen oder Bus fahren.

Sie fahren bei Mahindra Racing und haben das Cockpit von Nick Heidfeld übernommen. Fanden Sie das fair, dass Ihr Ex-Arbeitgeber Mercedes Ihnen die vorzeitige Freigabe verweigert hatte, beim Saisonstart im Dezember an den Start zu gehen?

Das war keine schöne Situation. Denn mein neues Team hätte mir deshalb auch eine Absage erteilen können. Ich muss ehrlich sagen, dass ich noch nie so glücklich war wie in meiner momentanen Situation mit meinem Team in der Formel E. Ich fühle mich sehr wohl in dem Team. Das Gefühl hatte ich in den vergangenen Jahren oft vermisst.

Sie sind im Januar in Marrakesch gestartet, aber nach einem Unfall ausgeschieden. Dann gab es den zweiten Platz in Santiago de Chile. Und in Mexiko ging Ihnen 50 Meter vor der Ziellinie die Energie aus und Sie mussten den Audi-Piloten di Grassi vorbeilassen. Dann wurden Sie wegen Abkürzens einer Schikane nach einer Zeitstrafe auf den sechsten Platz zurückversetzt. Ist das für Sie ein guter Start in der Formel E?

Dafür, dass ich ein Neueinsteiger bin, ist meine Leistung gut. Na klar hat mich das geärgert, dass dem Auto 50 Meter vor der Ziellinie die Energie ausgeht. Aber ich bin immerhin von der Pole Position gefahren, das hat Extrapunkte gebracht. Die letzte Runde war ziemlich chaotisch.

Seit dieser Saison fahren die Autos mit 340 statt mit 272 PS. Und mit einer neuen Mc Laren Batterie. Damit kann man das 45 Minuten Rennen mit einem Auto durchfahren. Dadurch entfällt der Autowechsel.

Gott sei Dank musste ich den fliegenden Wechsel nicht mehr üben.

Wir fahren zwischen Wänden

Formel 1 kennt er schon. Pascal Wehrlein, hier 2017 im Sauber, war schon mal da, wo er nun wieder hin will.
Formel 1 kennt er schon. Pascal Wehrlein, hier 2017 im Sauber, war schon mal da, wo er nun wieder hin will.

© Mark Thompson/Getty Images/AFP

Wie funktioniert der neue Attack-Mode?
Die Rennleitung sucht vor dem Rennen eine Kurve aus. Meistens werden auf der Außenbahn vier Sensoren im Boden platziert. Sobald die Mitte des Autos über einen Sensor fährt, erkennen die Sensoren im Auto das und schalten eine zusätzliche Leistung von 25 kW für insgesamt acht der 45 Rennminuten. Die Rennleitung entscheidet, wie diese acht Minuten aufgeteilt werden, also zwei mal vier oder vier mal zwei. Das ist für alle Fahrer einheitlich. Aber man muss in dieser Attack Zone alle Sensoren genau erwischen. Wenn man nur einen verfehlt, wird die Zusatzleistung nicht ausgelöst. Und da kann man natürlich im Rennen strategisch überlegen, wann man den Zusatzboost einsetzt.

Fiel Ihnen der Wechsel zur Formel E leicht?

Man muss viel lernen. Das Rennen kann man nicht Vollgas fahren. Man muss auf die Energie schauen. Würde man permanent 100 Prozent fahren, würde die Energie nicht ausreichen. Man muss rekuperieren. Das Thema Reifen spielt im Gegensatz zur Formel 1 kaum eine Rolle: Man hat zwei Reifensätze pro Rennwochenende. Und die Reifen halten ewig.

Vermissen Sie den Motorsound?

Ja, ich vermisse ihn schon. Aber ich habe mich daran gewöhnt, dass das Auto keine Gänge und keinen Sound hat. Ansonsten verhält sich das Formel-E-Auto der zweiten Generation wie ein ganz normales Formel-Auto. Trotzdem fahre ich privat gern ein Auto mit Sound.

Was fahren Sie privat?

Ich fahre einen Range Rover Sport.

Die Formel E gastiert am 25. Mai wieder in Berlin auf dem Tempelhofer Feld. Wären Sie lieber wie in Hongkong einen Stadtkurs mitten durch Berlin gefahren?

Ich freue mich sehr auf mein Heimrennen in Berlin und auf die Strecke.

Ist die Formel E schwerer zu fahren als die Formel 1?

Wir fahren zwischen Wänden und haben wenig Auslaufzonen in den Stadtkursen. Beim kleinsten Fehler hängst Du in der Mauer drin. Und das Level der Fahrer ist sehr hoch. In der Formel E kann sich auch niemand ins Cockpit einkaufen.

Sie sind neben der Formel E auch Simulatorfahrer bei Ferrari. Was genau machen Sie da?

Der Simulator in Maranello schaut aus wie eine große Spinne. Durch die Füße kann sich der gesamte Simulator in einer Höhe von bis zu zehn Metern bewegen. Die Strecken sind gescannt und sehen so aus wie die Rennstrecken in Realität. Meine Aufgabe ist an der Entwicklung des Autos mitzuwirken. Alle Neuerungen werden immer erst im Simulator getestet. Hinter einer Glaswand sitzen die Renningenieure und erhalten die Telemetrie-Daten der Fahrten. An Rennwochenenden fahren wir wie die Fahrer die Trainingseinheiten. Die Renningenieure tauschen sich über Funk aus und entscheiden, was beim Rennen wichtig sein kann.

Ist der Simulator für Sie wieder eine Brücke zur Formel 1?

Ich bin momentan sehr glücklich in der Formel E. Die Saison geht in dieser Serie von Dezember bis Juli. Und da bleibt auch Zeit für andere Dinge wie mein Engagement bei Ferrari. Mein Ziel ist und bleibt die Formel 1.

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