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Sport: Perfekt inszeniert

Lance Armstrong managt seine Probleme mit dem Doping weitaus professioneller als Jan Ullrich

Wenn Lance Armstrong öffentlich auf seinen Widersacher Jan Ullrich angesprochen wurde, gab sich der Amerikaner stets als Sportsmann. Ullrich sei ein großartiger Athlet, wiederholte er unermüdlich, der einzige Gegner, den er je gefürchtet habe, und vermutlich ein größeres Talent als er selbst. Einmal gelang es jedoch einem amerikanischen Journalisten bei einem ausführlichen Gespräch, Armstrong dessen wahre Meinung über den Deutschen zu entlocken. Ein Clown sei Ullrich, rutschte Armstrong da heraus, nicht ernst zu nehmen mit seiner Undiszipliniertheit und vor allem mit seiner mangelnden Professionalität.

Sollte Armstrong in der vergangenen Woche Ullrichs Rücktritts-Performance verfolgt haben, hat er sich gewiss in diesem Urteil bestätigt gefühlt. Ein solches PR-Desaster wäre Armstrong niemals unterlaufen. Ganz abgesehen davon, dass er sich gar nicht erst in die Situation manövriert hätte, in der Ullrich jetzt steckt. Wie Ullrich hatte sich Armstrong mit massiven Dopinganschuldigungen, mit Gerichtsprozessen und mit einer kritischen Presse herumzuschlagen. Doch Armstrong gelang es stets, diese Situationen geschickt zu managen. Zu einer Demontage seiner öffentlichen Person hätte er es jedenfalls niemals kommen lassen.

Lance Armstrong ist trotz der massiven Zweifel an seiner eigenen Redlichkeit und trotz der stichhaltigen Doping-Indizien gegen ihn heute eine wohlgelittene Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in den USA. Er tingelt durch Talkshows, sein Leben wird gerade in Hollywood verfilmt. Im vergangenen Herbst schmückte er den Titel eines Herrenmagazins als einer der begehrenswertesten Junggesellen des Landes. Sein Name hat ein so großes Gewicht, dass der Nachrichtensender CNN ihm erst vor wenigen Wochen für einen unkommentierten Appell an die US-Öffentlichkeit, den Kampf gegen den Krebs zu forcieren, eine Viertelstunde wertvoller Sendezeit zur Verfügung stellte. Und beim New- York-Marathon im November war der Hobbysportler Armstrong gern gesehener Werbeläufer für den Veranstalter und für seinen Sponsor Nike.

Gewiss hat es Armstrong mit der US- Öffentlichkeit leichter als Ullrich in Deutschland. Der amerikanische Fan ist äußerst resistent gegen die Demontage seiner Helden, besonders, wenn es sich wie im Fall Armstrong um einen Beinahe-Heiligen mit Wiederauferstehungs- Nachweis handelt. Ein, zwei skeptische Kommentare in seriösen Tageszeitungen in Sachen Doping konnten da kaum eine spürbare Erschütterung erzeugen. Aber Armstrong managte im Gegensatz zu Ullrich sein Bild in der Öffentlichkeit professionell. Seine Auftritte sind perfekt inszeniert: Armstrong hat sich niemals widersprochen; gestammelt hat er schon gar nicht. Darüber hinaus wurden Kritiker mit der ganzen Wucht der Millionen Dollar schweren Armstrong-Maschinerie eingeschüchtert. Sogar die Versicherungsgesellschaft, die ihm wegen Dopingverdachts seinen Toursieg-Bonus von fünf Millionen Dollar vorenthalten wollte, zwang er in die Knie.

Für Armstrong war der Radsport nach seiner Krankheit der greifbarste Weg zu Geld und Ruhm. Er durchschaute und beherrschte das gesamte Spiel, wie er die Rennen selbst beherrschte. Er wusste, dass es interessante Erträge nur über Tour-Siege einzufahren gibt und nicht über zweite Plätze. Und er achtete gleichermaßen darauf, dass er die Kontrolle über seine Story, seine Legende, zu hundert Prozent in der Hand behielt. Jan Ullrich hingegen stolperte ebenso in seine Karriere hinein, wie er durch sie durch und wieder hinaus stolperte. Die Debatte um unerlaubte Leistungssteigerungen, hat man den Eindruck, widerfuhr ihm dabei ebenso wie alle anderen Aspekte des Spiels. Armstrong kalkulierte und managte das hingegen wie jedes andere Detail seiner Karriere. Und so bleibt Armstrong für Ullrich ein lebendes Mahnmal für das, was hätte sein können, wenn er es nicht verbockt hätte. Aber vielleicht muss man Ullrich glauben, wenn er sagt, dass er zufrieden ist mit dem, was er heute hat. Vielleicht ist er einfach froh, dass dieses ganze Geschäft, dem er nie wirklich gewachsen war, nun vorbei ist. Fast vorbei. Zwei Gerichtsverfahren stehen noch aus.

Sebastian Moll[New York]

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