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Keine Zuschauer, ein paar Pferde und ganz viel Geld. Geister-Galopprennen funktionieren in Japan erstaunlich gut.

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Pferdesport in Zeiten des Coronavirus: Wenn Geister galoppieren

In Japan erzielen die Veranstalter von Galopprennen ohne Zuschauer hohe Erlöse. Das könnte zum Vorbild für deutsche Bahnen wie die in Hoppegarten werden.

Die Hoffnung für den Galopprennsport liegt im Fernen Osten. Während weltweit fast alle professionellen Sportveranstaltungen zum Stillstand gekommen sind, werden auf den Bahnen in Japan und Hong Kong gerade hohe Erlöse erzielt.

Beide gelten als Hochburgen des internationalen Turfs, was es einfacher macht in der Coronavirus-Krise das Renngeschäft erfolgreich am Leben zu erhalten. Dabei befolgen die Veranstalter die strikten Vorgaben der nationalen Gesundheitsbehörden, in dem sie ihre Events komplett ohne Zuschauer austragen.

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Solche Geisterrennen sind im Pferdesport durchaus gewöhnungsbedürftig, insbesondere wenn man die Atmosphäre auf den japanischen Bahnen kennt. 100.000 Besucher sind an den großen Renntagen eine Selbstverständlichkeit. Und gerade in Japan gehören Galopprennen zu den populärsten Sportveranstaltungen. Auch deshalb steht das Land seit Jahrzehnten in Sachen Wettumsätze weltweit an der Spitze.

Vor wenigen Tagen erst erschien die Statistik für 2018, die diesen Trend bestätigte: Wetteinsätze in Höhe von knapp drei Billionen Yen wurden registriert – umgerechnet 25 Milliarden Euro. Davon gingen 25,1 Prozent an die Jar, die japanische Dachorganisation des Rennsports. Mit diesem finanziellen Volumen steht der Turf in Japan auf einem soliden Fundament und bildet eine der größten Einnahmequellen des gesamten Sports im Land.

Im Umkehrschluss heißt das: Ein Stillstand des Galopprennsports hätte zu einem gravierenden finanziellen und sportlichem Einschnitt geführt. Ganz zu schweigen von den sozialen Konsequenzen: Der Rennsport sichert die Existenz von abertausenden Angestellten. Auch deshalb sind die japanischen Veranstalter auf die Idee eines Kompromisses gekommen. Weil die Gesundheit vorgeht, gibt es rigide Regeln für die Durchführung der Geisterrennen. So fehlen nicht nur die Zuschauer auf den Bahnen, auch die Wettbüros im Lande sind geschlossen. Ebenso wird auf unnötig lange Transporte für die Galopper zu den Rennbahnen verzichtet.

In Hoppegarten sollen schon im Mai zwei Geisterrennen stattfinden

Das Wettgeschäft wird derzeit nur noch mit dem Handy abgewickelt, von zuhause oder unterwegs. Die Rennen können online verfolgt werden. Ein eingeschränktes Vergnügen, aber doch eines mit unerwarteten Konsequenzen.

Die Wettumsätze bei den ersten Grand-Prix-Rennen dieser Saison wurden im Vergleich zum Vorjahr nicht nur gehalten, sondern konnten sogar noch übertroffen werden. Und diese Umsätze liegen bei den Top-Events fast immer zwischen 150 und 200 Millionen Euro pro Renntag. Diese Zahlen stimmen optimistisch, gerade jetzt, wo an jedem Sonntag in Japan ein Millionen-Rennen ansteht, die Saison auf Hochtouren läuft und Ende Mai mit dem Derby ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Die Entscheidung für Geisterrennen hat sich für Japan gelohnt – die Coronavirus-Krise muss nicht zwangsläufig zu einem sportlichen und finanziellem Desaster führen. Das hat nun auch der Dachverband Deutscher Galopp e. V. erkannt und plant hierzulande daher ebenfalls ab Mai Geisterrennen. Die Entscheidung über sportliche Großereignisse ohne Zuschauer obliegt in Deutschland allerdings den einzelnen Bundesländern, für die zwei in Hoppegarten geplanten Veranstaltungen am 10. und 31.Mai muss die Landesregierung in Brandenburg erst noch ihr Einverständnis geben.

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In Deutschland käme hinzu, dass im Falle einer Starterlaubnis die ausgeschriebenen Prämien noch halbiert würden. Aber vielleicht kann der Rennsport in dieser schwierigen Situation davon profitieren, dass sich die Wettanbieter durch den Wegfall vieler Sportereignisse vermehrt auf Pferderennen fokussieren würden.

In diesem Falle wäre die Wiederaufnahme des eingeschränkten Rennbetriebes zumindest eine Möglichkeit in Zeiten der Krise. In Japan hat man diese Chance bereits genutzt. Mit einem überraschenden Erfolg, den so niemand vorhergesehen hatte.

Ulrich Nickesen

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