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Sport: Philipp Lahm, Balljunge

Der Stuttgarter ist mit 20 Jahren der jüngste Spieler im deutschen EM-Kader

Hernan Crespo, der argentinische Stürmer vom FC Chelsea, hat sich im Februar ein wenig gewundert über die Gepflogenheiten in Stuttgart. Die Fußballer des örtlichen Vereins für Bewegungsspiele VfB bereiteten sich auf das Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Chelsea vor, als Crespo ein Balljunge auffiel, der sich auch kurz vor dem Anpfiff noch hartnäckig im Dunstkreis der Stuttgarter Spieler aufhielt. „Was macht denn der in der Kabine?“, hat sich Crespo gefragt. Die Antwort bekam er beim Einlaufen der Mannschaften auf den Platz. Der Balljunge trug das Trikot mit der Nummer 21 – er heißt Philipp Lahm.

Lahm ist 1,70 Meter groß, wiegt 62 Kilogramm, und wenn man nicht wüsste, dass er im Herbst 21 wird, könnte man ihn auch für einen Mittelstufenschüler halten. DFB-Präsident Mayer-Vorfelder nennt ihn manchmal „den kleinen Lahm“, was sich vor allem auf die Körpergröße bezieht. Vor einem Jahr spielte Lahm noch für die Amateure des FC Bayern, inzwischen ist er Stammspieler in Stuttgart, hat bei sieben der acht Champions-League- Begegnungen dieser Saison in der Startelf gestanden und vier Länderspiele bestritten. Im deutschen Aufgebot für die Europameisterschaft in Portugal ist er der jüngste aller 22 Spieler.

Vor allem aber ist Lahm gut fürs fußballerische Selbstwertgefühl der Nation. Er widerlegt die These, dass es hier zu Lande keine technisch und taktisch gut ausgebildeten Fußballer mehr gibt. Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass Lahm bei der Blamage von Bukarest, beim 1:5 gegen Rumänien, das einzige Tor für die Deutschen geschossen hat. Schon gegen Chelsea war er der einzige Stuttgarter, der mit den Weltstars mithalten konnte.

Lahms Unbekümmertheit ist jedoch keine Frage der Jugend, sondern ein Resultat seiner außergewöhnlichen Technik. Erst aus dem ungezwungenen Umgang mit dem Ball ergibt sich seine unjugendliche Ruhe auf dem Platz; denn wer nicht schon mit der Kontrolle des Balles überfordert ist, hat auch die Zeit, um allzeit den Überblick zu bewahren. Das kommt Lahm auch auf der ungewohnten Position als linker Verteidiger zugute. Aus dem natürlichen Nachteil, den er als Rechtsfuß auf dieser Position hat, ist längst ein Vorteil geworden. Weil Lahm beide Füße nutzen kann, ist für seine Gegenspieler schwer zu erkennen, ob er bis zur Grundlinie vorstoßen will, um dann mit links zu flanken, oder aber den Ball mit rechts nach innen zieht.

Von seinem Alter her dürfte Lahm sogar noch für die U-20-Nationalmannschaft spielen. Seiner Zeit aber ist er immer schon ein bisschen voraus gewesen. Mit 13 Jahren traf Lahm zum ersten Mal auf Zinedine Zidane, Christian Vieri und Alessandro del Piero. Die Superstars des europäischen Fußballs spielten mit Juventus Turin im Münchner Olympiastadion im Finale um die Champions League. Und Philipp Lahm war wirklich Balljunge.

Bis zur Fußball-EM stellen wir aus jeder Mannschaft einen Spieler vor, dem wir eine entscheidende Rolle zutrauen.

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