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Hat eine Idee, aber keinen Plan: Uefa-Boss Michel Platini.

© AFP

Platinis EM-Pläne: Ganz Europa wundert sich

Alle wollen dabei sein, aber selbst Uefa-Präsident Platini weiß nicht, wie die EM 2020 aussehen wird. Derweil bringen sich die Großstädte Europas ins Gespräch – auch Berlin.

Von Christian Hönicke

Michael Platini, der Name steht für geniale Einfälle. Mit seinen geistreichen Vorlagen wurde der Mann aus Lothringen in den Achtzigern einer der weltbesten Fußballer und führte Frankreich 1984 zum Europameister-Titel. Längst hat Platini die Shorts mit der Anzughose getauscht, doch auch als Präsident des Europäischen Fußballverbands Uefa gehen ihm die Geistesblitze nicht aus. Auf sein Betreiben hin wird die Europameisterschaft 2020 über ganz Europa verteilt ausgetragen. „Eine verrückte Idee“, gab Platini zu, „aber auch eine gute.“ Nun braucht er wie damals Mitspieler, die seine Vorlage in etwas Zählbares verwandeln.

Denn am Tag danach hatte Platini keine konkreten Antworten auf die vielen Fragen, die das Projekt EM 2020 umranken. „Im Moment haben wir ein weißes Blatt Papier“, sagte er am Freitag auf einer Pressekonferenz in Nyon. „Alles ist offen.“ In wie vielen Ländern soll die EM ausgetragen werden? Welche Städte kommen in Frage? Soll pro Land in mehreren Städten gespielt werden? Wie kann man Ausrichter bestimmen, wenn die Teilnehmer des Turniers doch erst nach der sportlichen Qualifikation Ende 2019 feststehen?

Platini zuckte immer wieder schelmisch mit den Schultern und blieb im Vagen. 12 bis 13 Länder, am liebsten Hauptstädte, die letzte Turnierwoche mit den beiden Halbfinals und dem Finale als Final Four an einem Ort, das würde er sich wünschen. Die Details soll eine Uefa-Kommission ausarbeiten, in der auch Wolfgang Niersbach sitzt, der Präsident des Deutschen Fußball-Bandes (DFB). Bis zur Sitzung des Uefa-Exekutivkomitees im März 2013 soll sie ein Auswahlverfahren entwickeln. Danach sollen sich alle 53 europäischen Verbände bis Anfang 2014 um Spiele bewerben können.

Mit seinem EM-Steilpass hat Platini die Würdenträger auf dem ganzen Kontinent in Aufregung versetzt. „Eine der interessantesten Fragen ist die Spielplanerstellung“, sinniert Bernd Schultz. „Das kann man ja eigentlich nicht machen, bevor die Qualifikation abgeschlossen ist.“ Schultz ist Präsident des Berliner Fußball-Verbands (BFV) und weiß noch nicht so recht, was er von Platinis Mega-EM halten soll und ob das ein Modell für immer ist. „Man kann ja nicht die Erfahrung der EM 2020 abwarten, man muss ja vorher entscheiden, was 2024 wird“, sagt Schultz. „Entweder man verliebt sich im Rahmen der Bearbeitung in diese Idee, oder man kehrt zum alten Modus zurück. Ich wage da keine Prognose.“ Schultz weiß nur: Er will die EM auch in Berlin.

Obwohl bisher lediglich die Abkehr vom Austragungsmodus mit einem oder zwei Gastgebern beschlossen ist, tobt bereits der Kampf um die Turnierspiele. Der DFB hat schon erklärt, sich bewerben zu wollen. Mehr ließ sich der Verband nicht entlocken, und so brachten sich die deutschen Fußballmetropolen schon einmal vorsorglich in Stellung. Hamburg zeigte Interesse, Karl-Heinz Rummenigge pries München an, Frankfurt, Dortmund und Gelsenkirchen sind auch noch da…

Berlin oder München? Wo soll 2020 der EM-Ball rollen?

In Berlin betrachtet man die ganze Angelegenheit mit der Gelassenheit des Favoriten. Dass Niersbach kürzlich sagte, mögliche Spiele fänden „nicht automatisch in Berlin“ statt, wertet man als gutes Zeichen. „Dass auch München geeignet ist, will ich nicht grundsätzlich bestreiten“, sagt BFV-Präsident Schultz. „Aber es spricht natürlich einiges für die Hauptstadt, zumal das andere Länder bei der EM vermutlich auch so machen werden.“

Schultz weiß seit der WM 2006, worauf es bei internationalen Großereignissen ankommt. Im Anforderungskatalog geht es meist um ein modernes Stadion mit ausreichend (Sitzplatz-)Kapazität, die Hotelinfrastruktur spielt eine Rolle, der Nahverkehr. Diese Vorgaben hat Berlin in der Vergangenheit stets erfüllt. „Bei den Hotels in Berlin gibt es eine große Bandbreite von günstigen bis hochklassigen Unterkünften“, sagt Christoph Meyer, der Sprecher des Olympiastadions. Und die Verkehrsanbindung mit S- und U-Bahn „ist in Deutschland einmalig“. Um die 80 Prozent der Besucher kommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Das Olympiastadion selbst hat mit 74.244 Plätzen die höchste Sitzplatzkapazität in Deutschland, auch wenn es bei internationalen Spielen etwas weniger sind. Die Arena wurde von der Uefa in die höchste Stadionkategorie vier einsortiert, was nicht nur zur Austragung des Champions-League-Finals 2015 berechtigt. Auch für eine EM-Endrunde ab dem Halbfinale käme Berlin in Frage – Platini wünscht sich Endspielarenen, die mindestens 70.000 Zuschauern Platz bieten können.

In Berlin glaubt man zudem, durch Erfahrungen der ständigen Großveranstaltungen – ob Leichtathletik-WM 2009 oder Frauen-Fußball-WM 2011 – im Vorteil gegenüber den Kontrahenten zu sein. „Bei uns hat sich das alles inzwischen eingespielt, auch wegen des jährlichen DFB-Pokalfinales und der vielen Länderspiele“, sagt Meyer . „Wir zeigen seit Jahren, dass wir solche Großereignisse ohne Zwischenfälle organisieren können. Durch das Pokalfinale besteht auch ein sehr guter Kontakt zum DFB.“ Dieser stetige Kontakt soll nun dabei helfen, als Austragungsort vom nationalen Verband auserkoren zu werden. „Unser großes Interesse ist beim DFB hinterlegt“, sagt Olympiastadion-Geschäftsführer Joachim Thomas. BFV-Präsident Schultz sieht aber „sicher auch die Politik gefordert, eine Absichtserklärung zu geben, dass solche Großereignisse in der Stadt erwünscht sind“. Die kam bereits am frühen Freitagnachmittag. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte: „Natürlich würde Berlin sich freuen, wenn der DFB sich für die Hauptstadt entscheidet. Die Voraussetzungen dafür sind vorhanden.“

Oder zumindest beinahe. Denn da ist doch eine Sache, über die könnte Berlin beim Rennen um EM-Spiele stolpern. Die Uefa legt grundsätzlich Wert darauf, dass die Ausrichterstädte gut per Flugzeug erreichbar sind. „Ich bin ein Optimist“, sagt BFV-Präsident Schultz. „Ich hoffe mal, dass der Flughafen bis 2020 fertig ist.“

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