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Sport: Plötzlich sieht er alt aus

Frank Luck wollte als bester deutscher Biathlet seine letzte Saison krönen – doch er läuft nur noch hinterher

Berlin. Der Mann gibt sich sehr selbstbewusst. „Ich gehöre zu den erfolgreichsten und erfahrensten Läufern der Biathlon- Szene“, sagt Frank Luck über sich. Und: „Ich möchte den Jüngeren zeigen, dass ich nicht zum alten Eisen zähle.“ Und dann noch: „Zu meinen großen Zielen zählt die Weltmeisterschaft 2004 in Oberhof, wo ich meine Karriere vor heimischem Publikum mit einer Medaille krönen möchte.“ All diese Sätze stammen von Lucks Homepage – und aus besseren Zeiten. Der 36-Jährige ist gerade dabei, vom Helden zur tragischen Figur des deutschen Biathlons zu werden.

Schon kommende Woche, bevor die Weltmeisterschaft in Oberhof (6.-15. Februar) beginnt, steht möglicherweise fest, dass zu Lucks 19 WM-Medaillen, darunter zehn goldene, keine hinzukommt. Dann wird Bundestrainer Frank Ullrich sein WM-Aufgebot bekannt geben – und Luck könnte fehlen. Die offizielle WM-Qualifikation hat er längst geschafft, doch pro Rennen dürfen bei der WM nur vier Deutsche starten. Und seinen Teamkollegen läuft Luck hinterher. „Es kann sein, dass er nur Zuschauer ist“, kündigt Ullrich auf Nachfrage an, „er zeigt physische und psychische Verschleißerscheinungen.“

Luck ist eigentlich nervenstark und ein exzellenter Schütze, bei der Bärenjagd in Kanada genauso wie am Schießstand. Doch der Routinier trifft die Scheibe nicht mehr. Beim Weltcup-Einzelrennen über 20 Kilometer in Antholz wollte er am Donnerstag seine Klasse beweisen. Bei dem Rennen gab es pro Fehlschuss keine Strafrunde, sondern eine Strafminute. Wer schlecht schießt, kann dies nur bedingt durch eine starke Leistung bei der Extra-Runde ausgleichen – eigentlich eine gute Voraussetzung für Luck. Doch beim ersten Schießen verfehlte er zweimal die Scheibe. „Das geht einem im Kopf rum, dann werden die Beine schwer“, sagt Ullrich, der erfolgreichster deutscher Biathlet war – bis Luck an ihm vorbeizog. Mit drei Schießfehlern wurde der Oberhofer nur 39. und fand „jeden Kommentar überflüssig“. Ohne Fehlschüsse wäre er Siebter geworden. So aber packte er seine Sachen und flüchtete vor den jubelnden Kameraden.

Sven Fischer gewann das Rennen, Ricco Groß wurde Dritter, drei weitere Deutsche kamen unter die ersten Zehn. Es war der erfolgreichste Saisontag für die Deutschen. Dass den anderen nun alles gelingt, schmälert Lucks Chancen. „So macht mir die Sache keinen Spaß“, hatte er schon beim Weltcup in Ruhpolding vor einer Woche gesagt. „Vielleicht ist es doch schwerer, sich mit der letzten Saison abzufinden.“ Am Freitag, dem Tag nach Platz 39 in Antholz, trainierte Luck nur in der Loipe und mied den Schießstand. „Er soll im Kopf frei werden“, erklärt Ullrich. „Er will möglichst glanzvoll abtreten und setzt sich selbst unter Druck.“ Zwei sechste Plätze in Einzelrennen waren Lucks beste Platzierungen im Weltcup in dieser Saison. Siebenmal fand er sich zwischen Rang 32 und 42 wieder – Platzierungen, für die es nicht mal Weltcuppunkte gibt. Gestern belegte Luck beim 10-km-Sprint in Antholz gar nur Rang 54. Sein Kollege Ricco Groß wurde Dritter, der junge Michael Greis Vierter. „Ich hoffe, dass ich die WM-Vorbereitung noch mitmachen darf“, meinte Luck und ging.

„Das Alter spürst du nur mit Gold um den Hals nicht“, hat Luck einmal gesagt. Spätestens seit Ruhpolding muss der 36-Jährige sich alt fühlen. Da flog er aus der Staffel, Greis ersetzte ihn. Auch in Hochfilzen im Dezember war er im Team nicht zum Einsatz gekommen, Jüngere sollten getestet werden. Doch in Ruhpolding hatte die Zuschauerrolle nur einen Grund: Luck war zu schlecht. Eine harte Erfahrung für einen, der nach verkorkster Saison im März 2003 bei der WM in Sibirien als Schlussläufer ins Rennen gegangen war - und Gold für Deutschland geholt hatte. Etwas Hoffnung bleibt Luck noch, dass es erneut so kommt. Mit der Realität abfinden mag er sich jedenfalls nicht. Die aktuellste Meldung auf seiner Homepage stammt vom Weltcup in Pokljuka vor zwei Wochen, wo Luck Elfter im Massenstart geworden war. Dazu heißt es: „Es geht bergauf.“

Helen Ruwald

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