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Sport: Plumpes an der Plumpe

Einst leistete das Abgeordnetenhaus Hertha BSC ungewöhnliche Finanzhilfe – nun erhofft sich Union ähnliches Entgegenkommen

Berlin. Es war im Frühjahr 1972. Heinz Warneke, Präsident von Hertha BSC, schockte die Vereinsmitglieder, als er ihnen zurief: „Wenn wir nicht verkaufen, gehen wir in Konkurs.“ Der Satz zeigte Wirkung. Als die Stimmen durchgezählt worden waren, stimmten 163 Mitglieder für den Verkauf, 57 dagegen und 15 enthielten sich der Stimme. Verkauft werden sollte der vereinseigene Platz am Gesundbrunnen, von den Mitgliedern liebevoll „Plumpe“ genannt. Zwei Jahre später war der Konkurs abgewendet, Berlins Fußball-Bundesligist fast schuldenfrei. Allerdings – möglich wurde das durch eine Aktion des Abgeordnetenhauses beim Platzverkauf, die höchst umstritten war. Die Erinnerungen daran werden dieser Tage wach, da der 1. FC Union darum kämpft, vom Senat das dem Land Berlin gehörende Stadion an der Alten Försterei für einen symbolischen Preis von einem Euro zu bekommen, um dort ein Stadion für 30 Millionen Euro zu bauen.

Hertha BSC hatte es seinerzeit einfacher. Im Senat und Abgeordnetenhaus saßen Personen, die aus ihrer Sympathie für Hertha kein Hehl machten, etwa Finanzsenator Heinz Striek (SPD), der später bei Hertha Vizepräsident und Schatzmeister wurde, oder Winfried Tromp (CDU), Vizepräsident unter Warneke. Ihnen allen, auch dem Hause Springer, war eines gemeinsam:Der durch die Folgen des (kräftig mitverursachten) Bundesligaskandals mit rund sieben Millionen Mark verschuldete Verein durfte nicht im Stich gelassen werden. Ein Konkurs von Hertha würde Berlin großen Schaden zufügen.

Also legte man sich mächtig ins Zeug, um beim geplanten Verkauf der Plumpe Hertha möglichst viel Geld zukommen zu lassen. Der Verein selbst, der seine Spiele längst im Olympiastadion austrug, rechnete nur mit 1,95 Millionen Mark, die er für den Platz vom Bezirksamt Wedding bekommen sollte. Damit würde man zwar das Schlimmste abwenden können, zur Sanierung würde das aber nicht reichen. Bei dieser Summe ging man zu Recht davon aus, dass das Gelände an der so genannten Millionenbrücke, die Wedding mit dem Prenzlauer Berg verbindet, nicht sonderlich attraktiv für den Käufer sein würde.

Doch Hertha hatte ja noch Freunde unter den Politikern. Das Abgeordnetenhaus beschloss flugs, ohne jede Debatte, eine Änderung des Flächennutzungsplans (bis dahin war von einer Grünfläche die Rede) und die Umwidmung des Geländes in Bauland – was den Preis beträchtlich in die Höhe trieb. Für 6,2 Millionen Mark wurde daraufhin die Plumpe an eine Münchner Baugesellschaft verkauft, die auf dem Gelände später für 70 Millionen Mark 440 Wohnungen errichtete. Hertha BSC war auf einen Schlag fast schuldenfrei. Doch der Verein war nicht nur finanziell, sondern auch sportlich gerettet. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte vor dem Verkauf der Plumpe gedroht, angesichts der hohen Schulden würde es für die nächste Saison keine Lizenz geben. Das Abschiedsspiel an der Plumpe gegen den 1. FC Nürnberg musste am 22. Oktober 1974 nach starken Regenfällen abgesagt werden.

Die dubiose Aktion des Abgeordetenhauses wurde seinerzeit scharf kritisiert. Von Juristen wurden auch rechtliche Bedenken geäußert. Das ZDF setzte sich in seiner Sendung „Das Millionending“ ebenfalls sehr kritisch mit der Umwidmung auseinander.

Nun hofft auch der 1. FC Union, wenn auch unter anderen Aspekten, auf ein Entgegenkommen der Politiker. Sein Argument: Das jetzige Stadion ist marode, der Senat müsste es ohnehin auf eigene Kosten sanieren. Nur: Die öffentlichen Kassen sind leer. Und so manches landeseigene Stadion ist noch viel maroder.

Klaus Rocca

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