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Sport: Polizei im Funkloch

Alte Technik bei der WM 2006 wird zum Sicherheitsproblem

Von Robert Ide

und Corinna Visser

Berlin. Wenn in Deutschland der Fußball rollt, gilt die höchste Sicherheitsstufe. Neue Gesetze zum Schutz des Luftraums, schärfere Grenzkontrollen, Schnellverurteilungen von Randalierern – schon jetzt bereiten sich die Behörden auf den Ernstfall Weltmeisterschaft 2006 vor. Das Innenministerium von Otto Schily (SPD) will in Berlin eigens eine Sicherheitszentrale einrichten, die alle Aktivitäten von Polizei und Rettungskräften koordiniert. Doch die deutsche Polizei beruhigen all diese Maßnahmen nicht; sie fürchtet ein ernstes Sicherheitsproblem. „Niemand will eine Garantie dafür abgeben, dass es zur WM 2006 nicht zu einem absoluten Durcheinander und zu einer massiven Gefährdungslage kommt“, schreibt der Chef der Polizeigewerkschaft, Konrad Freiberg, an seine Mitglieder. Grund der bislang unveröffentlichten Warnung ist die veraltete Kommunikationstechnik der Polizei. Ihr analoges Funknetz stammt noch aus den 70er Jahren. Es ist störanfällig, oft überlastet – und nicht einmal abhörsicher.

Die Finanzierung eines modernen digitalen Polizeifunks, an den auch Grenzschutz, Feuerwehr und Rettungsdienste angeschlossen sein sollen, ist seit Jahren zwischen Bund und Ländern umstritten. „Die deutschen Sicherheitsbehörden verharren in der Funktechnik-Steinzeit, während selbst osteuropäische Länder über digitale Funktechnik verfügen“, bemängelt Freiberg. Schilys Ministerium hat das Problem erkannt – und drängt auf die neue Technik. Am 10. Mai treffen sich Bund und Länder, um über einen Zeitplan für das Projekt abzustimmen. Noch gibt es nicht einmal eine Ausschreibung; das günstigste Angebot hatte zuletzt bei 2,6 Milliarden Euro gelegen. Doch die Zeit wird knapp. „Für ein flächendeckendes Netz würden wir drei Jahre brauchen“, sagt Axel Birkholz, Mobilfunk-Chef der Telekom-Tochter T-Systems. „Das klappt bis zur WM nicht mehr.“ Bund und Länder gehen inzwischen von einer Fertigstellung des Gesamtnetzes „zum Jahresende 2010“ aus.

Der gestreckte Zeitplan hat Auswirkungen auf das Sicherheitskonzept, das die WM-Organisatoren derzeit erstellen. Schily will während des Turniers in der Nähe seines Ministeriums ein Zentrum einrichten, in dem alle Lagemeldungen von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten einlaufen und das in Notfällen massive Sicherheitskräfte mobilisieren kann. „Für ein übergreifendes Konzept ist es unerlässlich, dass die Kommunikation zwischen allen Beteiligten optimal funktioniert“, mahnt Hans Florin, der im WM-Organisationskomitee für Sicherheit zuständig ist. Schily will nun den Digitalfunk wenigstens in den zwölf WM-Städten aufbauen. Vorbild für diese kurzfristige Lösung sind die in diesem Sommer stattfindenden Olympischen Spiele in Athen, für die zuletzt ein modernes Funknetz rund um die Wettkampfstätten installiert wurde. Doch die digitalen Funkinseln verursachen Zusatzkosten – und bergen Risiken. Telekommunikationsexperte Torsten Gerpott sagt: „In Extremfällen, etwa bei Bombenattentaten, kann man mit Insellösungen eine weiträumige Einsatzleitung nicht koordinieren.“

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