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Dieter Hoeneß

© dpa

Porträt eines Managers: Wer ist Dieter Hoeneß?

Er lebt Hertha BSC. Deshalb delegiert er nichts. Unter ihm ist Hertha wichtig geworden in Berlin. Die Zahlen stimmen – in der Tabelle und der Bilanz. Image-Probleme hat sein Klub trotzdem

WELCHE ROLLE SPIELT DIETER HOENESS BEI HERTHA BSC?

Vor ein paar Tagen übte sich Dieter Hoeneß in einer neuen Rolle. Herthas Manager las Heldenmärchen vor, anlässlich der Berliner Märchentage. Hoeneß saß auf einem weißen Sofa in einem Logenraum des Berliner Olympiastadions, die Kinderschar lauschte andächtig. Hoeneß, der Held? Oder Hoeneß, der Märchenerzähler? Seine Rolle bei Hertha BSC pendelt in der öffentlichen Wahrnehmung oft zwischen diesen Gegensätzen. Die Stimmung spricht im Moment für ihn. Die Mannschaft ist erfolgreich und auf der Mitgliederversammlung präsentierte er gute Zahlen.

In anderthalb Jahren will Hoeneß als Manager bei Hertha aufhören. Klar ist: Er hat sehr viel für den Verein getan, auch wenn er nicht immer erreicht hat, was er angekündigt hatte. Dieter Hoeneß lebt Hertha BSC. Der große Mann aus Baden-Württemberg hat in zwölf Jahren den Verein geprägt und sich als mächtiger Mann nicht vor der Öffentlichkeit versteckt. Wenn es etwas zu Hertha zu sagen gibt, ist Hoeneß da. Er hat sich diese Position verdient: Hoeneß hat aus einem angestaubten Zweitligisten einen etablierten Erstligisten gemacht. Als er 1996 nach Berlin kam, da hatte Hertha ein kleines Büro an der Heerstraße. „Da klebten sogar die Türklinken“, hat sich Hoeneß einmal erinnert. Der Muff eines abgestürzten Westberliner Traditionsklubs – Hoeneß hat durchgelüftet. Heute hat der Klub seine Geschäftsstelle am modernen Trainingsgelände an der Hanns-Braun-Straße, hat moderne Kabinen, ein Fußball-Internat und ist seit zehn Jahren ein etablierter Bundesligist.

Dieter Hoeneß hat seitdem viel zu verantworten. Schulden von bis zu 40 Millionen, die langsam abgearbeitet werden. Schließlich hat er Spieler gekauft, verkauft und als ehemaliger Fußballprofi gern erzählt, wie gut die Mannschaft zu spielen hat. Dabei ist Hoeneß kein Sportmanager im klassischen Sinn, sondern „der Vorsitzende der Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft auf Aktien“.

HAT SICH SEINE ARBEIT BEI HERTHA BSC BISHER GELOHNT?

Ja. Ohne Hoeneß wäre Hertha sicher nicht so schnell Bestandteil der Bundesliga geworden. Als der Klub dann aber nach oben kam, hat Hoeneß auch Fehler gemacht. Er hat Spieler geholt, die den Erwartungen nicht entsprachen. Der Manager konnte das Versprechen, Hertha zu einer Spitzenmannschaft zu machen, noch nicht erfüllen. Dabei erwiesen sich anfängliche Erfolge, die 1999 in der Teilnahme an der Champions League gipfelten, als Hypothek. 2006 rutschte Hertha sogar in den Abstiegskampf, Hoeneß hatte eine Mannschaft zusammengestellt, die führungslos in die Krise trudelte. Nicht wenige Fans forderten damals seinen Rückzug. Aber Hertha hielt die Klasse, Hoeneß blieb. „Jeder Klub kommt in der Bundesliga mal in die Situation des Abstiegskampfes“, sagt er. „Das ist selbst Bayern München und zuletzt dem HSV schon einmal passiert.“

Die erfolgreichste Ära seiner Berliner Amtszeit könnte für Hoeneß begonnen haben, als Trainer Lucien Favre zu Hertha kam. Nach der „Übergangssaison“ (Hoeneß), die für Hertha nur auf dem zehnten Tabellenplatz endete, ist Favre erfolgreich in die Saison gestartet. Davor hat der Trainer mehr als die halbe Mannschaft umgekrempelt, die Hoeneß zusammengestellt hatte.

Der wortkarge Schweizer Favre und der eloquente Manager sind auf den ersten Blick ein ungleiches Paar. Tatsächlich passen sie aber gut zusammen. Denn Favre setzt um, was Hoeneß vorschwebt. Die Idee, wie Hertha nach vorn kommen könne, sei schon vor Favre da gewesen, sagt Hoeneß. „Es ging nur darum, die Idee mit Personen zu besetzen.“

WIE WICHTIG IST HOENESS FÜR BERLIN?

Es sind zwei Ziele, die Hoeneß formuliert und die unmittelbar zusammenhängen: Hertha soll fußballerisch eine Spitzenmannschaft werden und Hertha soll wieder mit der Stadt zusammenwachsen. Mit einer Stadt, die Sporthauptstadt sein will. Unter Hoeneß ist Hertha auf jeden Fall wichtiger geworden für Berlin. Dabei hat es Hoeneß am Anfang nicht einfach gehabt. „Da hatte Berlin keinen großen Glamourfaktor“, sagt er. Die Stadt sei nicht erste Adresse für prominente, gute Fußballer gewesen. „In Berlin ist die Erwartungshaltung nicht immer mit Substanz unterfüttert.“

Doch trotz der jüngsten Erfolge hat Hertha immer noch ein Imageproblem. Auch unter Hoeneß ist der Klub noch nicht zu einem Zuschauermagnet geworden. Wobei die absoluten Besucherzahlen gut sind, nur dass das große Olympiastadion auch mit 48 285 Zuschauern wie am Sonnabend beim 2:1-Sieg gegen den Hamburger SV noch längst nicht voll ist. Es reicht eben nicht aus, wenn der Manager das bekannte Gesicht des Vereins ist. Interessante Spieler wie Stürmer Marko Pantelic locken schon eher Zuschauer an, aber Hertha hat zu wenig Spielertypen wie diesen.

Hoeneß hat versucht, Hertha anzuschieben in Berlin. So zum Beispiel mit der „Play Berlin“-Kampagne, bei der Hertha großflächig in der Stadt warb. „Für eine Marke ist ein Slogan eines der Kernelemente der Kommunikation“, hatte Hoeneß gesagt. Die Wahl der englischen Sprache zeige Jugendlichkeit. Wohl nicht genug: Die Zielgruppe wurde verfehlt, wegen „Play Berlin“ kamen nicht mehr Fans ins Olympiastadion als vorher. Und eine Marke ist Hertha auch noch nicht.

HABEN SICH DIE GRUNDSÄTZE, NACH DENEN ER AGIERT, GEÄNDERT?

Im Prinzip nicht. Dieter Hoeneß gibt immer noch nicht gerne Verantwortung ab. Er ist überall. Am Montag auf Herthas Mitgliederversammlung, da hat der Mann mit dem Bass in der Stimme jede noch so simpel anmutende Frage geduldig über sich ergehen lassen. Ob bei Hertha nicht die Supernanny aus dem Fernsehen im Dauerstreit zwischen Stürmer Marko Pantelic und Favre schlichten könne oder warum Hertha nicht so ein tolles Halbzeitprogramm wie die Handballer der Füchse hat – Hoeneß blieb freundlich. Das war schon mal anders, zu schlechten Zeiten, als Hertha seine Schulden anhäufte und sportlich am Abgrund stand. Vor einigen Jahren gab es Fanproteste gegen ihn, es erschallten „Hoeneß raus“-Rufe im Stadion. Noch im Mai 2007 rief der aufbrausende Hoeneß auf einer Mitgliederversammlung ins Auditorium: „Ich widerspreche, dass wir einen Sauhaufen haben.“ Pikiert kündigte er an, dass er künftig nicht mehr zu allen Themen Stellung nehmen werde.

Dieter Hoeneß will sich durchsetzen, überall. Das hat er in seiner aktiven Zeit als Bundesliga- und Nationalspieler gelernt. Der Spieler Hoeneß war eisenhart. So etwa am 1. Mai 1982, als er im DFB-Pokalfinale ein Stück deutsche Fußball-Geschichte schrieb. Trotz Platzwunde am Kopf spielte er mit einem später blutdurchtränkten Kopfverband weiter, half dem FC Bayern München noch, nach 0:2-Rückstand den 1. FC Nürnberg 4:2 zu besiegen. Das letzte Tor köpfte er!

Norbert Nachtweih sagte mal über seinen Bayern-Mitspieler Dieter Hoeneß: „Der springt so hoch – wenn der wieder runter kommt, liegt auf seiner Glatze Schnee.“ Hoch hinaus will Hoeneß noch immer. Aber ganz oben angekommen ist er noch nicht. Vielleicht lässt Hoeneß daher seinem angedachten Nachfolger bei Hertha, Michael Preetz, keinen Raum.

Zu seiner Arbeit bei Hertha sagt Hoeneß: „Meine Arbeit ist immer gleich, egal ob wir gewinnen oder verlieren.“

An der Spitze hat Hoeneß einen Verbündeten: Werner Gegenbauer. Er ist bei Hertha der wichtigste Mann für Hoeneß. Der Unternehmer ist inzwischen Präsident von Hertha – die Freundschaft beider Männer sollte harten Auseinandersetzungen im Wege stehen. Denn wenn Hoeneß es noch schaffen will, den Verein und die Stadt zu versöhnen, Hertha tatsächlich zu einer Marke zu machen, braucht er diesen stadtbekannten und gut vernetzten Mann. Mit Favre und Gegenbauer hat er nun zwei Leute an seiner Seite, die helfen sollen, seinen Traum zu verwirklichen. Ihnen hat er zumindest nach außen Einfluss abgegeben, um Hertha BSC ganz nach oben zu bringen. Hoeneß selbst ist im Moment an der Schnittstelle zwischen richtig und falsch. Zwischen Vollendung seines Werkes und Scheitern.

WIE GEHT ES  FÜR  DIETER HOENESS BEI HERTHA BSC WEITER?

Bis 2010 läuft sein Vertrag. Hoeneß ist jetzt 55 Jahre alt und wirkt kaum amtsmüde, aber zurückhaltender als in seinen Anfangsjahren bei Hertha. „Ich werde dem Verein natürlich immer mit dem Herzen verbunden sein“, sagt er. Übersetzt heißt das: Er will weiter mitmischen, nur nicht mehr als Manager. Mit einem im Vorjahr verkündeten Drei-Jahres-Plan – „einstelliger Tabellenplatz, Uefa-Cup Teilnahme, Champions League“ – will Hoeneß sein Werk abrunden. Trainer Favre scheint der Mann zu sein, der es für ihn vollenden kann. Der Manager sagt aber: „Ich denke nicht in diesen Kategorien, Titel habe ich schon genug geholt. Ein Ziel war für mich, den Verein zu einem festen Bestandteil der Bundesliga zu machen.“ Das hat Hertha BSC in einem guten Jahrzehnt geschafft – unter Dieter Hoeneß.

ZUR PERSON

GEBOREN

Dieter Hoeneß wurde am 7. Januar 1953 in Ulm geboren. Sein älterer Bruder ist der langjährige Manager des FC Bayern München, Uli Hoeneß.


KARRIERE
Hoeneß spielte als Profifußballer für den VfB Stuttgart und den FC Bayern München, mit dem er fünf Mal Deutscher Meister wurde. Für Deutschland lief er sechsmal auf. Beim WM-Finale 1986 gegen Argentinien (2:3) wurde er eingewechselt. Nach seiner Karriere als Spieler war er zunächst bei einem Computerhersteller beschäftigt, bevor er dann von 1990 bis 1995 als Manager des VfB Stuttgart arbeitete. 1996 kam Hoeneß nach Berlin, 1997 wurde er Herthas Manager und seit 2001 bekleidet er das Amt des Vorsitzenden der Geschäftsführung der Hertha BSC KGaA.


FAMILIE

Hoeneß ist verheiratet und hat zwei Söhne.

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