zum Hauptinhalt
Große Freude bei der Einwechslung sieht anders aus als bei Cristiano Ronaldo.

© Imago/Matthias Koch

Gala ohne den Superstar: Cristiano Ronaldo ist für Portugal zu einer Last geworden

Zum ersten Mal seit 18 Jahren sitzt der 37-jährige Superstar bei einem großen Turnier nur auf der Bank, seine Kollegen spielen wie entfesselt. Das ist kein Zufall.

Ein Kommentar von Julian Graeber

Es war ein extrem ungewohntes Gefühl für Cristiano Ronaldo am Dienstagabend. Zum ersten Mal seit dem 16. Juni 2004, einem 2:0 gegen Russland bei der EM im eigenen Land, stand der portugiesische Superstar bei einem wichtigen Turnier nicht in der Startaufstellung.

Einen Spieler mit einem derart großen Namen und einem noch viel größeren Ego auf die Bank zu setzen, erfordert Mut.

Wenn man Ronaldo wie Portugals Nationaltrainer Fernando Santos seit fast 20 Jahren kennt, mit ihm den einzigen bedeutenden Titel in der Geschichte des Landes geholt hat und ihn als Freund bezeichnet, fällt solch eine Entscheidung noch schwerer. Doch der 68-Jährige traute sich – und wurde belohnt.

Das 6:1 gegen die Schweiz war das beste Länderspiel der portugiesischen Nationalmannschaft seit vielen Jahren und dass dieses größtenteils ohne Ronaldo stattfand, ist kein Zufall. Der fünfmalige Weltfußballer hat im Strafraum zwar immer noch einen unvergleichlichen Torinstinkt, nur kommt dieser immer seltener zur Geltung.

Selbst das strikteste Trainingsprogramm kann den Lauf der Zeit schließlich nicht aufhalten, Ronaldo hat nicht mehr den nötigen Antritt, um in die richtigen Positionen zu kommen. Jahrelang haben seine Mannschaften toleriert, dass er wenig am Spiel und so gut wie gar nicht am Pressing teilgenommen hat, weil er ihnen Tore garantiert hat.

Doch mittlerweile ist er auf diesem Niveau eher eine Last als ein Unterschiedsspieler. Seine Kollegen wirkten ohne ihn gegen die Schweiz wie entfesselt.

Ronaldo fällt es offensichtlich schwer, seinen schleichenden (sportlichen) Bedeutungsverlust zu akzeptieren. Zwar jubelte er bei den sechs Treffern der Kollegen – derer drei durch den für ihn in die Startelf rotierten Gonçalo Ramos – verhalten mit.

Im Spiel zuvor gegen Südkorea hatte er Santos mit einem eingeschnappten Kommentar nach seiner Auswechslung aber noch das letzte Argument für seine Versetzung auf die Bank geliefert. Und nach dem Einzug ins Viertelfinale rauschte er bereits in die Kabine, während die Kollegen noch mit den Fans feierten.

Mit einer Nebenrolle wird sich Ronaldo in diesem Sportlerleben wohl nicht mehr anfreunden. Daran war schon sein Engagement bei Manchester United gescheitert und das birgt auch im portugiesischen Team Sprengstoff.

Dabei ist die klaglose Akzeptanz seiner neuen Rolle Ronaldos einzige Chance auf die Verwirklichung seines großen Traums. Weltmeister wäre er auch als Nebendarsteller. Das müsste er spätestens seit der EM 2016, als er im Finale verletzt ausgewechselt wurde und neben Santos dirigierte und anfeuerte, eigentlich wissen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false