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Sport: Probetanz ums Meisterfeuer

STUTTGART .Er hat ihn glatt übersehen.

STUTTGART .Er hat ihn glatt übersehen.Als Uli Hoeneß im Marathontor des Gottlieb-Daimler-Stadions die Meisterfeier plante, huschte der neue VfB-Trainer Ralf Rangnick vorbei.Gesenkten Blickes, den Kopf voller Sorgen, schneller Schritt.Vielleicht hielt ihn Hoeneß nach dem 2:0-Sieg für einen dieser jungen Kerle, die da vorhin auf dem Feld standen.Für eine Weile war es wirklich so.Amateure des VfB Stuttgart gegen die Champions-League-Helden des FC Bayern.Fünf Milchgesichter, die Lothar Matthäus "noch nie gesehen" hatte.

Auch wenn ein volles Haus etwas anderes vorgaukelte, und der Stadionsprecher einen Südschlager herbeiflunkerte, selten waren die bayerische und die schwäbische Welt weiter voneinander entfernt.Die einen mußten am nächsten Tag zweifelnde Überschriften in den Zeitungen ("Es wird ernst: Auch Rangnick kann nicht zaubern") lesen, die anderen überlegen, wann der beste Zeitpunkt für die Übergabe der Meisterschale ("Am besten nach dem Bochum-Spiel") ist und wie ihre Millionenbank die Champions League gewinnt.

"Die Jungs brauchen eine psychologische Pause.Es ist gut für die Nerven", sagte Hoeneß."Außerdem spart es Kraft.Manchester muß noch lange kämpfen, und dann haben die noch das Pokalfinale gegen Newcastle." Sorgen machen mußte sich der Manager in Stuttgart nicht.Daß die Münchner am Dienstag Bammel vor der eigenen Courage hatten, lag nur zum Teil an den Stuttgartern."Ganz nahe vor dem Ziel war kein Spielfluß da.Jeder, der jetzt einen Fehler macht, wird an den Pranger gestellt", sagte Hitzfeld grinsend.Hoeneß schaute "einfach nach oben auf die Zuschauerränge.Wer da alles sitzt.Das ist schon sehr angenehm." Das halbe Stadion war in Münchner Hand, fast der gesamte Stamm der bayerischen Indianer tanzte auf den Traversen des Daimler-Stadions schon mal zum Üben ums Meisterfeuer.Ab der 60.Minute rutschte Hoeneß nur für den Moment unruhig auf seinem Sitz hin und her."Jetzt, hab ich gedacht, müßten doch ein paar unserer Apachen kommen".

Sie kamen.Wie immer.Mehmet Scholl machte in der 62.Minute das 1:0, Carsten Jancker schob acht Minuten vor Schluß noch einen zweiten Treffer nach."Ich denke, jetzt sind wir endgültig durch", brabbelte Mario Basler, und das klang beinahe so, als hätten er und seine Kollegen gerade das Sportabzeichen gemacht."Was sollte da noch schiefgehen?" fragte Torschütze Scholl mit deutlich rhetorischem Unterton."Es ist alles so fair abgelaufen diese Saison.Ein Lob an alle", sagte Matthäus."Das ist meine Saison.Wir werden schon bald feiern", jubelte Stefan Effenberg.

Die Stuttgarter gaben sich unterdessen ihren Depressionen hin.Ist ihr neuer Trainer schon nach einem Spiel gescheitert? Das wußte in Stuttgart so richtig niemand.Was nützt es schließlich, wenn die jungen Hüpfer aus der Amateurabteilung auf dem Rasen munter freche Kreisel drehen und der Gegner die Punkte mitnimmt? Und wenn ausgerechnet Libero Frank Verlaat "blinde Sau" zum Linienrichter sagt und im Abstiegskampf fehlt?

Spät in dieser Nacht beruhigten sich die besorgten Schwaben mit ein paar Fakten.Immerhin hieß der Gegner heute nicht Bochum oder Bremen, sondern Bayern München.Und die Tabelle zeigt, daß da ein paar in noch viel größerer Not sind.Das klingt wie das Pfeifen im dunklen Wald, aber es stimmt eben."Eine Stunde lang standen die Stuttgarter doch ganz ordentlich", sagte Ottmar Hitzfeld.Der Münchner Coach empfahl väterlich, die Ruhe zu bewahren."Wir sehen uns in der kommenden Saison wieder, da bin ich mir ganz sicher." Ein mildes Lächeln von ihm, ein gequältes kam von Rangnick zurück.Ein bißchen bange ist ihnen schon.Wer seit neun Spielen nicht mehr gewinnen konnte, ohne sechs Stammspieler auskommen muß, dem kriecht die Angst nun mal die Waden hinauf.

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